KREATIVITÄT

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Absichtliche Kreativität A-Z: A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z


Inhaltsverzeichnis

Kreativität ist ein schillernder Begriff und eine Ressource, die langläufig steht für Schöpfung, Erschaffung und Gestaltung von etwas Neuem; das kann sich auf ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Idee, eine Strategie oder weitere materielle oder virtuelle Güter beziehen. Sehr oft wird Kreativität in Verbindung gebracht mit dem Entwickeln von Ideen, dem schöpferischen Gestalten und Erschaffen - oder auch konkret mit speziellen Anwendungsfeldern, wie z.B. Kunst, Werbung, Design, Innovation, Erfindung, Problemlösung, die aber jeweils nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Spektrum dieses Phänomens wiedergeben.

Der kreative Funke


Allgemeines Verständnis

Stand

Bis auf den heutigen Tag ist Kreativität ein nicht eindeutig geklärtes Phänomen, das Menschen seit Jahrhunderten dennoch oder gerade deswegen beschäftigt und fasziniert. Dementsprechend vielfältig und facettenreich ist Kreativität und beschäftigt Forscher gleichermaßen wie Praktiker auf unterschiedliche Art und Weise.

Lange wurde die Fähigkeit der Kreativität nur Künstlern zugeschrieben und erfuhr erst in Folge der aufkommenden Intelligenzdiskussion zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine größere Aufmerksamkeit. In späteren Zeitabschnitten (ab 1950, und verstärkt in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts) wurde sie zum Gegenstand zahlloser Forschungen wie auch ebenso vieler Diskussionen und Uneinigkeiten bezüglich ihres Wesens, ihrer Definition, ihrer Komponenten und ihrer Ausrichtung.

Heute genießt sie einen sehr ambiguen Ruf; er reicht vom Zeitgeist-getragenen Hype und einer Verehrung als Heilsbringer auf der einen Seite (manifestiert in der "Kreativen Klasse", der "Kreativwirtschaft", dem "kreativen Imperativ" und "kreativen Clustern") bis hin zur selbstverständlichen und vorbehaltlosen Bejahung bestimmter Felder (z.B. Kunst) oder, im Gegensatz dazu, auch einer skeptisch-ablehnenden Haltung gegenüber anderen Bereichen (z.B. "Kreativität im Business").

Etymologie

Kreativität stammt ursprünglich vom lateinischen "creare" ab, was soviel wie "schöpfen, erschaffen, ins Leben rufen" bedeutet. Damit war meist auch eine gedankliche Verbindung gezogenem zu "Neuem" oder "etwas Neues erschaffen".

Definition

Das bunte Feld der Kreativität
Eine allgemeingültige Definition für Kreativität gibt es (noch) nicht und kann es nach Ansicht vieler Autoren und Wissenschaftler auch nicht geben, weil die Bandbreite des Feldes dafür zu groß ist. In der Gesamtheit kann Kreativität als ein Konstrukt verstanden werden, dass sich aus vielen Herkunftsbereichen (z.B. Psychologie), Mutterdisziplinen (z.B. Neurologie) und Praxisfeldern (z.B. Innovationsmanagement) zusammensetzt, und das andererseits in vielen Anwendungsfeldern ganz unterschiedlicher Prägung (z.B. Kunst, Schauspiel, Werbung, Design, Erfindung Problemlösung, ...) und noch mehr Alltagsbereichen zum Einsatz kommt.

Nach dem Multiple Kreativitäten-Verständnis (Luther 2009) kann Kreativität immer nur spezifisch definiert werden für eine bestimmte Domäne (z.B. Kunst), ein Fachgebiet (z.B. Bildende Kunst) oder eine speziellen Ausrichtung (z.B. Grafik). Im Rahmen des Forschungsprojektes "Infrastruktur der Kreativität" entwarf Luther 2009 einen Ansatz für eine übergeordnete allgemeine Begriffsbildung für Kreativität, der bereichsübergreifende Gültigkeit hat und mehrere Dimensionen umfasst:

Kreativität ist ein Phänomen, ein natürliches Potenzial, ein Raum und eine Ressource 
zur Erschaffung, Gestaltung, Entnormung und Eröffnung von Wahlmöglichkeiten.





Vergangenheit

Die Ursprünge

Die Jagd nach dem kreativen Gen
Ursprünglich wurde Kreativität mehr im Sinne von "Schöpfung" (Creation), als von "schöpfen" (create) verstanden und lange Zeit als eine Domäne von Gott als dem "Schöpfer" verstanden. Schöpferische Menschen, vornehmlich in der Kunst, waren von Gott inspiriert; ein Umstand, der durch Michelangelos berühmtes Kunstwerk in der Sixtinischen Kapelle auch bildlich zum Ausdruck kam. Nachfolgend, im Mittelalter entstand daraus die Vorstellung vom Genie; dabei herrschte der göttliche Funke noch immer als Gedanke vor und manifestierte sich in dem Konzept der Illumination, dem kreativen Moment der Erleuchtung, der auch als "Heureka-Moment" bezeichnet wird. Erst allmählich fand eine Übertragung von Kreativität statt und kreative Leistungen wurden, über die Kunst hinaus, auch in Feldern wie Werbung und Design als solche bezeichnet, und gleichzeitig auch Menschen ohne "Geniefaktor" zugesprochen.

De facto ist Kreativität - verstanden i.S.v. Einfallsreichtum, Erfindungsgabe, Schöpfung - so alt wie die Menschheit selbst und hat Menschen aller Kulturen und zu allen Zeiten zur Seite gestanden und sie begleitet. Ob in der Herstellung von Werkzeugen, den Höhenflügen der Renaissance-Kunst, in der strategischen Kriegsführung oder in ausgefallenen Erfindungen: Die Bedeutung von Kreativität reichte stets von einem notwendigen Hilfsmittel zum Überleben, über die Ausdrucksform großer schöpferischer Geister bis hin zu einem willkommenen Motor des Fortschritts.

Ausgewählte Beispiele für Kreativität in speziellen Epochen der Menschheitsgeschichte sind:

  • Steinwerkzeuge (Urgeschichte)
  • Gebrauch des Feuers (Homo erectus)
  • Höhlenmalereien (Steinzeit)
  • Schmuck (naive Kulturen, Middle Stone Age)
  • Erste Schriftzeugnisse (Frühgeschichte)
  • Metall-Werkzeuge (Bronzezeit/ Eisenzeit)
  • Gartenkunst (China, ca. 3.000 Jahre a.C.)
  • Architektur (Ägypten, Babylonien, Römisches Reich) (Alte Geschichte/ Antike)
  • Entstehung der Künste (Früh-/ Hoch-Mittelalter)
  • Exzeptionelle Kunstleistungen (Renaissance)
  • Dichtkunst (beginnende Neuzeit)
  • Telefon, Batterie, Eisenbahn, Automobil, Glühlampe u.v.w. Erfindungen mehr (Neuzeit)
  • Ideenmanagement (Jetztzeit, etwa seit 1930)


Mythen und Legenden

Mythen der Kreativität
Um Kreativität ranken sich bis heute zahlreiche Mythen und Legenden, die z.T. schon sehr alt, z.T. auch erst jüngeren Ursprungs sind: Einige reichen bis in das nicht mehr nachvollziehbare Dunkel der Geschichte zurück und sind vom Ursprung her nicht belegt; andere werden bis in die jüngste Zeit z.T. aus Unkenntnis, z.T. wider besseren Wissens, z.T. aus wirtschaftlichen oder "politischen" Gründen unabsichtlich oder auch ganz bewusst gepflegt und immer wieder am Leben erhalten. In absichtlichen Fällen geschieht dies immer wieder, um Kreativität einen Status (oder Nimbus) als unerklärliches Phänomen und Besitztum weniger Auserwählter zu bewahren.

Als Beispiel für einen Mythos hält sich bis in jüngste Zeit hartnäckig das Gerücht, dass die beiden anatomisch unterschiedlichen Gehirnhälften auch funktional eine eindeutige Unterscheidung aufweisen; manche Autoren gehen sogar noch weiter und behaupten, dass namentlich die rechte Gehirnhälfte "die kreative" sei. Diese Aussagen, die sich noch in Büchern jüngsten Erscheinungsdatums wiederfinden, beruhen auf einst völlig neuem, heute aber veraltetem Wissen (Sperry 1974/75)! Sie verkennen den aktuellen Stand der Forschung, der besagt, dass eine funktionale Trennung nicht nachweisbar ist und dass das Gehirn nicht nur ein hochkomplexes Organ ist, sondern auch die Möglichkeiten der Adaption und Kompensation kennt.

In dem konkreten Fall gab es schon seit den neunziger Jahren Forschungsberichte von Menschen, die aufgrund eines Unfalls und / oder einer Operation nur noch Zugriff auf eine Gehirnhälfte hatten und dennoch leistungsbezogen über die gleichen Kapazitäten verfügten, wie "normale Gehirnbesitzer". Neu sind Berichte aus dem Jahr 2010, nach denen unabhängig voneinander zwei Fälle bekannt geworden sind, bei denen Menschen medizinisch nachweislich nur über eine Gehirnhälfte verfügen und gleichzeitig ohne physiologisch oder neurologisch erkennbare Einschränkungen im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte sind.


Geschichte der Kreativität

Die Geschichte der bekannten Kreativität fand im Wesentlichen in der jüngeren Vergangenheit statt; Details dazu finden sich in einem eigenen Kapitel wieder.


Köpfe der Kreativität

Große Kreative Geister
Eine Abhandlung über Kreativität kommt nicht aus, ohne an große Köpfe zu erinnern, die das Feld und die Begrifflichkeit Kreativität geprägt haben und für viele untrennbar damit verbunden sind. Die Auswahl einiger Namen der Kreativität und ihrer kreativen Wirkungen zeigt vor allem die Vielfalt und Bandbreite des gesamten Feldes auf:


Forschung über Kreativität

Forschungen zum Thema Kreativität sind ausnahmslos jüngeren Datums. Da der Begriff selbst erst in den späten 30er Jahren des 20. Jahrhunderts Eingang in den Duden fand, und zudem anfangs noch gleichgesetzt wurde mit "göttlicher Schöpfung" oder "einsames Genie", war die Forschung zunächst auch nur auf wenige ausgewählte Teilaspekte begrenzt.

Der Umstand, dass Kreativität lange Zeit herkunftsseitig der Psychologie zugerechnet wurde, und bis heute auch noch immer vielfach wird, führte zu einer einseitigen Fokussierung der Wissenschaftsbemühungen. Dazu kommt, dass die Psychologie selbst sich aber bis heute schwer tut mit der Beschreibung und Erforschung dieses Phänomens, das weit über ihre Grenzen hinausreicht und das viele Herkunftsfelder und Mutterdisziplinen kennt.

Historisch entwickelte sich die Kreativitätsforschung anfangs als ein Bestandteil der Intelligenz- und Hochbegabungsforschung, wobei Kreativität als eigener Aufmerksamkeitsbereich erst seit den fünfziger Jahren an Bedeutung gewann. Als einer der Auslöser für die verstärkte Kreativitätsforschung im Gegensatz zu der vorhergehenden Fokussierung auf "Intelligenz" gilt der sogenannte "Sputnick-Schock" im Jahre 1957. Dies bezeichnete einen Wendepunkt, der eingeleitet wurde durch die frühe Vorrangstellung der Russen im Bezug auf den "Wettlauf in's All"; der Name leitet sich ab von dem russischen Sputnick-Satelliten, der zum Erstaunen (und Entsetzen) der Amerikaner, die sich auf dem Gebiet der Intelligenzforschung seinerzeit für federführend hielten, als erster menschengemachter Gegenstand "den Weltraum betrat". Daher wurde die folgende, kreativitätsforschungsorientierte Zeit auch als "Sputnik-inspired era of creativity" bezeichnet.

Eckdaten früher grundlegender Forschungen sind:

Guilford war es auch, der mit seiner Rede vom 5. September 1950 vor der Jahrestagung der American Psychological Association einen Wendepunkt in der Kreativitätsforschung markierte. Er stellte zum Einen fest, dass in den 25 Jahren zuvor von 121.000 erschienenen psychologischen Arbeiten nur etwa 186 relevante Titel zum Thema Kreativität verfasst worden waren, und rief dazu auf, diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Zum Anderen gipfelte seine Rede in der These: "Jeder Mensch ist kreativ!"; damit widersprach er dem bis dahin vorherrschenden Hochbegabten-Paradigma und "einsamen Genie-Mythos" und öffnete die Tür für ein breiteres Kreativitätsverständnis und vor allem für nachfolgende spezielle Kreativitätsforschungen.



Gegenwart

Wo Kreativität heute steht

Alltags-Perlen
Aktuell hat Kreativität einen Stand als absichtliche Disziplin und als anerkannte Fähigkeit erreicht, der sich durch viele Arbeiten und Forschungen (namentlich der Neurologie, der Psychologie und der Sozialforschung) als ernstzunehmender Faktor präsentiert; dabei ist die Eigenständigkeit des Feldes noch immer umstritten und bis heute nicht abgesichert.

Eingang in die Alltagssprache

In die Alltagssprache findet Kreativität gegenwärtig verstärkt Eingang, mittlerweile sogar in einem inflationären Maß. Mit den verschiedensten Bedeutungen versehen und meist ohne tieferen Wissenshintergrund, gibt es heute kaum mehr einen Bereich, der nicht mit dem Attribut "kreativ" versehen wird oder sich damit schmückt, gleich ob er aus Wirtschaft, Politik, Sport, Hobby, Familie oder Partnerschaft kommt. Im positiven Sinn werden damit meist Zuschreibungen wie "einfallsreich"/"ideenreich", "phantasievoll", "originell", "erfinderisch", "ungewöhnlich/ unorthodox" oder einfach auch "andersartig" verbunden.

Im umgekehrten Fall werden die Begrifflichkeiten allerdings auch oft benutzt, wenn es um eine negative Bedeutungszuweisung geht, wie z.B.: "Mal wieder die Kreativen (i.S.v. die Spinner/ chaotischen Menschen)" * "Kreativität (i.S.v. von "Spielerei") nützt hier gar nichts, wir brauchen Ergebnisse" * "schon wieder so ein kreativer (i.S.v. "nicht durchführbarer") Vorschlag".

Anwendungsfelder der Kreativität

Vielfalt als Programm
Luther stellte 2009 fest: "So etwas wie eine Kreativität gibt es nicht! Kreativität ist ein Plural!" Viele Meinungen und Meinungsunterschiede der vergangenen Jahre rührten daher, dass mannigfache Anwendungsfelder und Domänen den Anspruch erheben, sie würden die "einzig richtige Kreativität" vertreten. Die große Anzahl an solchen Domänen und die, z.T. kontrovers geführte Diskussion um bzw. Definition und Terminologie von Kreativität machen das Feld der Gesamtdisziplin unübersichtlich und liefern Anhaltspunkte dafür, Kreativität als wenig seriös oder greifbar abzutun.

Dementgegen stellte Luther in Anlehnung an Gardners Konzept der Multiplen Intelligenzen fest, das ein vergleichbares Konstrukt auch in der Kreativität existiert. Das von ihm entworfene konzeptionelle Rahmenwerk der Multiplen Kreativitäten löst den Widerspruch der abgegrenzten Teilfelder auf. Es gibt Kreativität eine äußere Struktur und führt alle verschiedenen Ausprägungsformen und Anwendungsfelder von Kreativität als autonome Entitäten zusammen, wobei sich jede Domäne ihre Eigenständigkeit hinsichtlich Definition, Intention, Prinzipien und Strategien bewahrt.

Klassische Anwendungsfelder, in denen sich Kreativität äußert sind (auszugsweise):

  • Kunst
  • Werbung
  • Design
  • Erfindung
  • Problemlösung & Innovation

Die weiteren Ausführungen in diesem Artikel stellen die absichtliche/ angewandte Form von Kreativität, die in Alltag und Beruf bei der Lösung von Problemen, Entwicklung von Ideen und Schaffung von Innovationen zum Einsatz kommt, in den Mittelpunkt; dabei erfolgt ggf. eine Bezugnahme auf und ein Einbezug von weitere/n Kreativfelder/n. Die Historie anderer Formen von Kreativität und die Ausführungen hierzu können andere Schwerpunkte haben.

Kreativwirtschaften

Einige kreative Anwendungsfelder wurden seitens der Politik gegen Ende der 90er Jahre gemeinsam unter dem Begriff Kultur- oder Kreativwirtschaft zusammengefasst, als Wirtschaftstätigkeiten anerkannt und für Förderprogramme landesspezifisch aufbereitet und gebündelt. In Deutschland fanden sich unter dem Begriff sowohl etliche traditionelle Kreativbereiche (z.B. Kunst, Schriftstellerei, Schauspielerei, Werbung) wieder, wie auch einige "moderne Felder" (z.B. Games-Industrie, Journalismus, Architektur). Kritisch anzumerken ist, dass einige bedeutende Kreativfelder (wie z.B. Erfinden, Innovationsmanagement, Ideenmanagement) weder in der ursprünglichen, noch in der ergänzten Fassung enthalten waren und es auch bis heute (Stand 2010) nicht sind.

Der US-Autor und Wirtschaftswissenschaftler Richard Florida spricht in diesem Zusammenhang auch von der Kreativen Klasse (Florida 2002), die er in seiner Theorie als entscheidend für das Wachstum einer Region oder einer Gesellschaft ansieht.


Absichtliche/ Angewandte Kreativität

Geburt der modernen Kreativität
Eine jüngere Domäne in Feld der etablierten Kreativitäten ist die absichtliche oder angewandte Kreativität. Diese Begrifflichkeiten, über die weitgehend Einigkeit besteht, wurden von den Pionieren ihres Feldes geprägt und bedeuten:

Beide beziehen sich auf eine ähnliche Form von Kreativität, die Anwendung findet bei der - und sich definiert als die Fähigkeit zur - Lösung von Problemen, Generierung von Ideen, Entwicklung von Erfindungen und Innovationen, Schaffung von Freiräumen und Gestaltung von Veränderungsprozessen.

Auswirkungen dieser Kreativitätsform haben einen weitreichenden Einfluss auch auf benachbarte Gebiete, wie die innovative oder die erfinderische Kreativität, die bei aller Feldeigenständigkeit ähnlichen Prinzipien folgen, eine ähnliche Struktur kennen und z.T. vergleichbare "Werkzeuge", Methoden und Techniken nutzen.


Forschungsansätze zur Kreativität

Ein buntes Feld
Als domänenspezifische und eigene Ansätze in der Kreativitätsforschungs- und -entwicklungs-Geschichte, die sich speziell auf die absichtliche/ angewandte Kreativität beziehen, sind folgende Ansätze von Bedeutung:
  • Ein sehr früher Ansatz von Galton versuchte "schöpferische Begabung" als Konstrukt zu definieren (Galton 1889) und kann damit als erster bekannter Vorläufer wissenschaftlicher Auseinandersetzungen mit Kreativität verstanden werden.
  • Drevdahl war einer der ersten, der sich an einer Definition für Kreativität versuchte (Drevdahl 1956), um Kreativität messbar zu machen.
  • Das 4 P-Konzept der Kreativität (nach Rhodes 1961) ist der erste ernstzunehmende Ansatz, der die Elemente von Kreativität sammelt, auflistet und das Gesamtkonstrukt Kreativität auf vier essentielle Teilgebiete und Forschungsfelder komprimiert.
  • Getzel und Jackson versuchten Kriterien festzulegen, die die kreative Persönlichkeit näher bestimmten (Getzel/ Jackson 1962).
  • MacKinnon (1962) und Barron (1965) leisteten Definitionsarbeit, wie bzw. wodurch sich ein kreatives Produkt definiert.
  • Mit dem Creatology-Ansatz unternahm Magyari-Beck (1979) einen Versuch, für Kreativität ein eigenes Wissenschaftsgebiet und Forschungsfeld zu definieren; gleiches unternahm nach ihm auch noch Gunkel (1994), indem er mit Ideonomy einen Ansatz für den gesamten sich mit Ideen entwickelnden Bereich, entwarf.
  • Mit dem Komponentenmodell der Kreativität skizzierte Amabile (1983/ 1996) wesentliche Einflussfaktoren der persönlichen Kreativität.
  • Conceptual space (nach Boden 1984) beschreibt Kreativität als generativen Raum, der eine Vielzahl von Subräumen des und Perspektiven für das Feld/es eröffnet.
  • Dimensions of creativity (nach Boden 1994) bot ein Skalierungs- und Unterscheidungskonzept an, mit dem sich die Höhe, und damit die Zumessung, von Kreativität ermitteln lässt.
  • Csikszentmihalyi erstellte mit dem Systems Perspective-Ansatz (1996) eine erste systemische Zusammenstellung des Konstrukts Kreativität und seiner verschiedenen Dimensionen.
  • Die Peak Periods Theory (nach Dacey 1998) beschrieb die Phasen kreativer Leistungsfähigkeit im Laufe der menschlichen Entwicklung.
  • Weitere Beiträge wurden entwickelt ...
  • In den Jahren 2005-2009 arbeitete Luther an einem Forschungsprojekt namens "Infrastruktur der Kreativität". Aus dem Projekt gingen als richtungsweisende Ergebnisse für eine systemisch definierte Kreativität hervor: die Unifying Field Theory of Creativity (nach Luther 2007) als eine vereinigende Feldtheorie von Kreativität; New Code Creativity (Luther 2008) als ein systemisch-funktionales Mehrkomponenten-Modell von Kreativität; der 4 quadrant approach of creative thinking (nach Luther 2008), ein 4 Quadranten-Ansatz kreativer Persönlichkeits-Präferenzen, analog zu den 4 Phasen des kreativen Prozesses; das Multiple Kreativitäten-Rahmenwerk (nach Luther 2009) als eine Landkarte, die die unterschiedlichen Formen und Ausprägungsfelder von Kreativität abgleicht und abbildet; der System-Ansatz Kreativität 2.0 (nach Luther 2009), der, aufbauend auf den Arbeiten von Rhodes, Guilford und Csikszentmihalyi, die drei Dimension der Kreativität (interdisziplinär, systemisch, funktional) abbildet und in einen Zusammenhang stellt; Genom der Kreativität (Luther 2009) als eine mehrdimensionale Blaupause des kreativen Raumes.

Differenzierungsansätze

Weiterhin gab und gibt es zahlreiche Herangehensweisen, Kreativität vor allem hinsichtlich des Grads ihrer Ausprägung zu differenzieren:

  • Bereits Maslow unterschied die Primäre Schaffenskraft ("Primary creativeness"; die im Unterbewussten lokalisierte Quelle, die nach Entdeckung, Neuheit und neuen Ideen strebt) von der Sekundären Schaffenskraft ("Secondary creativeness"; die im Bewusstsein lokalisierte Quelle, die nach Ordnung und Kontrolle strebt).
  • Kirton unterschied die Adaptive Kreativität (die sich durch kleine, ein bestehendes Konzept weitgehend unverändert lassende Änderungen, die Übernahme von Veränderungskonzepten oder -ideen Anderer bzw. eine Neuordnung bereits erworbener Kenntnisse oder Fähigkeiten kennzeichnet) von der radikalen Kreativität (bei der es darum geht, vorsätzlich Standards zu ändern, Paradigmen zu brechen, Regeln zu verletzen und etwas Neues im Sinne von Unbekanntem hervorzubringen).
  • Arieti stellte die "Große Kreativität" der "gewöhnlichen/ordinären Kreativität" gegenüber.
  • Boden unterschied die H-Kreativität (i.S.v. Kreativität historischen Ausmaßes, die oft auch als Maßstab für den Begriff an sich angelegt wird) von der P-Kreativität (i.S.v. derjenigen Kreativität, über die jeder gewöhnliche Menschen bereits als "natürliche persönliche Grundausstattung" verfügt).
  • Sternbergs Unterteilung: Big C-Kreativität (gemeint ist die außerordentliche, seltene Form von Kreativität (die Form, unter der früher oft "Kreativität" subsummiert wurde) und Little C-Kreativität (gemeint ist die "kleine", alltägliche Form von Kreativität).
  • Kaufman/ Beghetto unterschieden zwischen der Mini c-Kreativität (eine Ausprägung von Kreativität, die persönlich relevant sein kann, aber generell gesagt eher am Anfang eines persönlichen kreativen Lernprozesses steht) und der Pro C-Kreativität (hohe Experten-Ausprägungsform von Kreativität einer Person, die durch systematisches Training erreicht werden kann; diese Kategorie erfasst beispielsweise professionelle und hauptberufliche Künstler).
  • Taylor unterschied 5 Stufen von Kreativität, von denen er als höchste Stufe die emergentive Kreativität (die sich hervortuende Kreativität) benannte.
  • Ghiselin unterschied die Primäre Kreativität (gemeint ist die Anwendung neuer Prinzipien, Vorstellungen und neuen Denkens, um die Grenzen des Feldes zu erweitern;) von der Sekundären Kreativität (gemeint ist die Anwendung von etwas Bekanntem zur Entwicklung neuer Gedanken, Produkte oder Ergebnisse).

Bei näherer Betrachtung ähneln sich viele dieser Modelle bzw. stellen ab auf den Unterschied zwischen Kreativität i.S.v. etwas Außergewöhnlichem/ Herausragendem und Kreativität i.S.v. etwas Normalem, Gewöhnlichem.

Dimensionen der Kreativität

Dimensionen der Unendlichkeit
Mel Rhodes, ein amerikanischer Wissenschaftler und Universitätsprofessor, gab dem Begriff Kreativität, speziell für den Bereich der absichtlichen/ angewandten Kreativität, in den 60er Jahren eine bis heute noch immer gültige Unterteilung in vier verschiedene Grundelemente, die so genannten Vier P der Kreativität, die er als mögliche Forschungsfelder empfahl. Sie geben dem oftmals noch diffusen Begriff eine innere Struktur und helfen, ihn praxisbezogen zu unterteilen. Im Original umfasst das Konzept die 4 Komponenten:

Die vier Felder waren ursprünglich gedacht als Empfehlung für die elementaren Forschungsfelder der absichtlichen/ angewandten Kreativität, in denen unterschiedliche Erkenntnisse für die Gesamtdisziplin gewonnen werden könnten und sollten. Aus Praxissicht heraus definierte Rhodes damit gleichzeitig die Bereiche, die Kreativität positiv, oder negativ, beeinflussen und die somit zur Entwicklung von Kreativität auch konkret nutzbar sind.

Diese Unterteilung hat, aus konzeptionell-beschreibender Sicht, bis heute noch eine fundamentale Bedeutung und wird vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum mit dem Begriff "absichtliche Kreativität" (nach Guilford) oder auch "angewandte Kreativität" (nach Osborn) in Verbindung gebracht. Es gab und gibt wiederholte Versuche, die vier Ps um weitere P-Begrifflichkeiten zu ergänzen, die aber bislang weder schlüssig waren, noch sich in der Kreativanwendung durchsetzen konnten.

Jüngere Forschungen zielen auf die systemischen Zusammenhänge der vier Komponenten und entwerfen mit Kreativität 2.0 ein neues Modell (Luther 2009), das die systemischen Abhängigkeiten und funktionalen Wirkungsbezüge deutlicher herausstellt.


Gesellschaftliche Dimension von Kreativität

Kreative Klasse
Kreativität hat in der menschlichen Gesellschaft seit altersher einen sehr unterschiedlichen Stand. Einerseits waren die Erwartungen sehr hoch und ließen "kleine", alltägliche kreative Leistungen meist unberücksichtigt (vgl.: Hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff). Andererseits haftet der Kreativität und vor allem "dem Kreativen" oft der Ruf des Grenzgängers, des Unnormalen oder sogar des Verrückten an; ein Nimbus, der von einigen Kreativen sogar selbst gepflegt wird, i.S.v. anders oder etwas Besonderes sein.

Um zumindest dem ersten Dilemma zu entkommen, führte die englische Universitätsprofessorin Margaret Boden die Begrifflichkeiten H- und P-Kreativität ein (Boden 1994). Mit H-Kreativität (historische) ist dabei die "große" Form von Kreativität gemeint, die im historischen Kontext von Bedeutung ist, in bewusster Abgrenzung zur P-Kreativität (psychologische, i.S.v. persönliche), die sich auf die "kleine", alltägliche Kreativität bezieht. Nach dieser Definition kann eine Leistung und eine Person auch als kreativ bezeichnet werden (z.B. ein Kind), die in ihrem Sinne etwas Neues erschaffen hat, was im großen Kontext betrachtet oft keinerlei Besonderheit darstellt.

Im Sinne der "großen Kreativität" wird Kreativität vielfach erst als solche bezeichnet und bewertet, wenn sie einhergeht mit einer völligen Neudefinition bekannter und akzeptierter Gesetzmäßigkeiten oder Bereiche; berühmte Beispiele dafür sind Arnold Schönberg (Zwölftonmusik), Pablo Picasso (Kubismus), Albert Einstein (relative Sicht von Zeit und Raum). Der Bruch mit alten Vorstellungen und Normen, und die Schaffung eines neuen Paradigmas, verbunden mit der dazugehörigen Unsicherheit des Unbekannten, Unbewiesenen oder Spekulativen, verdeutlichen einerseits, warum Kreativität im sozialen Kontext immer wieder einen schweren Stand hatte und bis heute in vielen Gesellschaftsbereichen um Anerkennung ringen muss.

Auf der anderen Seite wurde das, bis heute oft noch gültige, Bild von Kreativität in der Gesellschaft mitgeprägt durch den Umstand, dass viele große Kreative auch Grenzgänger waren und immer wieder die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn überschritten (Gardner 1997). Es ist auch mitausschlaggebend für einige der noch immer existierenden Mythen über Kreativität, wie z.B. "Kreatives Genie und Wahnsinn liegen eng beisammen" bzw. "Kreativität hat mit Verrücktheit zu tun". Dieser Mythos verhindert z.T. weiterhin die gesellschaftliche Anerkennung von Kreativität als ein natürliches menschliches Potenzial und eine daraus resultierende stärkere Nutzung dieses Talents als eine ebenso notwendige, natürliche, wie praktische und alltägliche Gestaltungsfähigkeit.

Eingang in Politik und Wirtschaft

Auch die Politik bedient sich gerne der Begrifflichkeit "Kreativität", meist im Zusammenhang mit progressiven oder progressiv erscheinenden Vorhaben. So stand das Weltwirtschaftsforum 2006 in Davos unter dem Motto "der kreative Imperativ"; der frühere Bundespräsident Horst Köhler forderte 2004 bei seiner Antrittsrede ein "Land der Ideen"; der Wirtschaftsprofessor und Erfolgsautor Richard Florida prophezeite in seinem 2002 erschienenen Buch den Aufstieg der "kreativen Klasse"; 2003 wurden in Großbritannien die Creative Industries genauer definiert; 2005/ 2006 wurde in Deutschland die Kreativwirtschaft als eigenständiger Wirtschaftszweig, aufbauend auf ersten Ansätzen aus den späten neunziger Jahren, mit 12 eigenständigen Bereichen definiert; 2007 fand eine EU-Konferenz zur Kultur- und Kreativwirtschaft statt, in der die nationalen Definitionen diskutiert und angeglichen wurden; 2009 fand in Wien eine Konferenz zum Thema "creative cities" statt; einzelne deutsche Bundesländer, wie z.B. Nordrhein-Westfalen, installierten sogenannte "Creative Cluster", als Ansammlung kreativer Wirtschaftszweige in einem räumlich begrenzten Umfeld, um sich gegenseitig zu stimulieren und von einer gemeinsamen Infrastruktur zu profitieren.

EU-Jahr der Kreativität und Innovation

Das Jahr 2009 wurde von der Europäischen Union zum offiziellen EU-Jahr der Kreativität und Innovation ausgerufen (englisch: European Year of Creativity and Innovation, kurz EYCI), um die bisherigen Anstrengungen zu fokussieren, und um diese beiden Kernkompetenzen für jede Form von Entwicklung hervorzuheben und zu fördern. Jeder EU-Staat konnte besonders verdiente Persönlichkeiten als spezielle Botschafter benennen, um landesweit Aktivitäten und Initiativen zu starten und zu unterstützen, um Kreativität und Innovation durch Wort und Tat mehr in den Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit und Anerkennung zu rücken; damit sollte auch eine Infrastruktur für die zukünftige Förderung von Kreativität geschaffen werden.

Infrastruktur der Kreativität

Das Fremde vertraut machen
Kreativität und ihre Verbreitung hängen entscheidend ab sowohl von der gesellschaftlichen Akzeptanz, der Zumessung von Relevanz, wie auch der Einrichtung einer entsprechenden Infrastruktur, inklusive aller realen und virtuellen Einrichtungen zur Unterstützung, Förderung, Begleitung und Bewusstmachung von und für Kreativität.

Am Beispiel der USA erläutert, umfasst die Infrastruktur für Kreativität dort, beginnend mit den Zeiten von Alex Osborn, ein Netz an physischen und virtuellen Installationen und Angeboten, um Kreativität konzeptionell, strukturell und praktisch zu fördern (Fox 2000):

  • Creative Education Foundation (CEF), als ein, von Osborn mitbegründeter Verein, der für Kreative aller Felder offen ist, mit regionalen "Chaptern", einer Internetpräsenz und vielen
  • American Creativity Association (ACA), eine weitere große nationenweite Kreativitätsvereinigung
  • CPS (Creative Problem Solving), als eine Kreativitätsmethodik, die national und international bekannt ist, und die von Unternehmen wie von non profit-Organisationen langjährig erfolgreich genutzt wird
  • CPSI (Creative Problem Solving Institute), als eine jährliche nationenweite Konferenz, die 5 Tage lang mit z.T. über 1.000 Teilnehmenden zur Durchführung kommt
  • Nationale Konferenzen, z.T. größerer Art, in vielen US-Bundesstaaten
  • Förder-Programme für Hochbegabte, wobei der Begriff "Hochbegabung" in den US auch die spezielle Förderung kreativer Hochbegabter ausdrücklich miteinschließt
  • Journal of Creative Behaviour (JCB), ein turnusmäßig erscheinendes Journal, das Informationen, speziell auch über neue Forschungsvorhaben und -ergebnisse veröffentlicht
  • MS-Studiengang "Creativity and Leadership" (vormals "Creativity and Innovation") am International Center for Studies in Creativity (ICSC), inklusive zahlreicher Aktivitäten und Angebote für Alumnis
  • Eine online-Publikationssammlung (CBIR) aller, im anglo-amerikanischen Sprachraum erschienenen, Veröffentlichungen für Kreativität, die Fachliteratur, Biografie, Diplom-, Doktor-, Hausarbeiten, Zeitschriften und Journale umfasst.

Kreativität und Ethik

Kreative Verantwortung
Kreativität ist eine Kraft, die von vielen hochgeschätzt, von manchen glorifiziert und von einigen immer noch mystifiziert wird. Sie steht für Wachstum, Neues, Entwicklung und Freiheit (Linke 2005), mithin also für "gute Eigenschaften".

Tatsächlich ist Kreativität aber, bei allem Potenzial, das in ihr wohnt, ein wertneutraler Begriff. Ihr Selbstverständnis heißt Entwicklung, ohne dabei von Natur aus eine Richtung (gut oder schlecht) zu bevorzugen (Aubenque 2005). Ihre Produkte bildeten zu allen Zeiten die gesamte Bandbreite menschlicher Emotionen ab, von "bewundert" über "misstrauisch betrachtet" bis hin zu "gefürchtet", von "akzeptiert" über "unverstanden" bis hin zu "abgelehnt".

Ihr Aktionsfeld ist neben der Schöpfung und Erschaffung auch das Aufbrechen verkrusteter Strukturen, das mit einem Wechsel an gewohnten Perspektiven und Sichtweisen, mit Risiko und Unsicherheit, mit Grenzgängertum und Umbruch, Widerstand und Opportunismus, Kollision mit dem Bekannten und einem bewussten Bekämpfen vertrauter Muster und Paradigmen einhergehen kann. Picasso meinte dazu: "Jeder Akt der Schöpfung ist zuerst ein Akt der Zerstörung".

So kann Kreativität auch, im ethischen Sinne, negative Formen annehmen, ohne an Kraft oder Authentizität einzubüßen. Manche großen Namen der Weltgeschichte, wie auch beispielsweise der gegenwärtigen Finanzwelt, waren hoch erfinderisch und einfallsreich, wenn es darum ging, ihre, auch unethischen, Ziele durchzusetzen und neue Wege zu finden. Selbst Lichtgestalten der Kreativität wie Leonardo daVinci, Alfred Nobel und Thomas Edison stellten ihre kreative Schaffenskraft gelegentlich in den Dienst des Zerstörerischen und waren u.A. auch an der Erfindung und Entwicklung von Kriegsmaterial beteiligt.

Da traditionell dem Neuen oft mit überzogener Skepsis oder Feindlichkeit begegnet wird (Rombach 1994/2003) und Wandel oder Veränderung oft Angst und Unsicherheit auslöst, ist der Grat schmal zwischen "gut - böse" oder "richtig - falsch". Dazu bemerkte Bölkow 2003: "Kreativität ist Ausdruck der Absicht, es besser zu machen. Sie ist dabei nicht von vornherein moralisch gut und ethisch richtig, sondern ist in ihrem Ausdruck immer davon abhängig, wie wir die Welt sehen und verstehen. Kreativität ist ein sensibler Zustand, der sich ergibt, wenn wir etwas wollen, doch er ist nicht sicher vor Verführung, Mißbrauch, Unreife oder Dummheit. Menschliche Kreativität braucht eine bewußte Ethik und ein hohes Maß an Achtsamkeit und moralischer Reflexion, um die in ihr wohnenden Kräfte für das Gute zu entfalten."


Individuelle Dimension der Kreativität

Licht und Schatten
Kreative Persönlichkeiten genossen zu allen Zeiten einen sehr unterschiedlichen Ruf, der die ganze Bandbreite menschlicher Bewunderung über Toleranz und Duldung bis hin zu Unverständnis und Misstrauen widerspiegelt. Die Zuschreibungen reichten von "begnadet", "göttlich", "visionär", "avantgardistisch", "Vordenker" über "phantasievoll", "originell", "ideenreich", "unorthodox" bis hin zu "verrückt", "Spinner", "Chaot", "Revoluzzer". Der Grat zwischen Akzeptanz und Ablehnung war zu allen Zeiten schmal und Kreativität als Dimension der Persönlichkeit, als die personifizierte Gewöhnung an das Ungewöhnliche, fand erst etwa ab Mitte des 20. Jahrhunderts Eingang in das allgemeine Verständnis und den gewöhnlichen Sprachgebrauch.

Der gegenwärtige Stand der Forschung ist: Kreativität bezogen auf die Persönlichkeit, namentlich die Fähigkeit kreativ zu denken und zu handeln, ist ein natürliches Potenzial, das Menschen von Geburt aus zur Verfügung steht (Guilford 1950), genauso wie es sich z.B. mit der Intelligenz oder der Fähigkeit des Laufens verhält.

Genauso aber wie bei der Intelligenz oder bei der Fähigkeit zu Laufen gibt es auch bei Kreativität Unterschiede in Grad, Ausmaß und Talent; es gibt normalbegabte, minderbegabte und hochbegabte Menschen, die, bei gleicher "Grundausstattung" ein unterschiedlich großes kreatives Talent besitzen.

Die Hochbegabungsforschung, die sich diesem Thema widmete, nahm ihren Ursprung in den US-Militärforschungen im 1. Weltkrieg und bezog sich lange Zeit und bezieht sich noch immer, trotz ihres "neutralen" Namens, im Wesentlichen auf den Intelligenzaspekt; im Bereich der Kreativität steckt die Hochbegabungsforschung heute noch in den Kinderschuhen.

Neben der Trennunschärfe des Begriffs Kreativität kommt in der Praxis ein weiterer Umstand hinzu, der es immer wieder erschwert, einer Person das Attribut "kreativ" zuzuschreiben. Da Kreativität in vielen unterschiedlichen Domänen zur Anwendung und zum Ausdruck kommt, kann sich dieses Talent auch dementsprechend unterschiedlich äußern und sehr unterschiedliche Neigungs-, Eignungs- und Fertigkeitsformen annehmen.

So kann z.B. eine natürliche Disposition zum Problemlösen und Ideenentwickeln vorhanden sein, bei gleichzeitiger "Nichteignung" für künstlerische Formen der Kreativität. Umgekehrt kann z.B. ein Künstler oder ein Schriftsteller keinerlei Affinität besitzen, seine Kreativität auf die Lösung alltäglicher Probleme oder auch den Verkauf seiner Werke zu beziehen. Hier macht eine Unterscheidung im Sinne des Multiple Kreativitäten-Ansatzes (nach Luther 2009) Sinn.

Einzelne Teilfähigkeiten und Aspekte der persönlichen Kreativität wurden von Guilford (1967), Amabile (1983), Sternberg (1988), Meeker (1990) und VanGundy (1996) identifiziert; sie wurden z.T. als Grundlage für psychometrische Testverfahren installiert und lassen Rückschlüsse zu auf die Beeinflussbarkeit und Trainierbarkeit der persönlichen Komponente von Kreativität.

Kreativität und Intelligenz

Die Intelligenzforschung wurde seit den Anfängen des 20. Jahrhunderts ernsthaft betrieben und insbesondere unter militärischen Aspekten im 1. und im 2. Weltkrieg stark forciert. Unbeschadet vieler Definitions-, Konzept- und Testansätze herrscht bis heute in diesem Feld keine Einigkeit, was Intelligenz letztendlich genau ist, woraus sie sich präzise zusammensetzt und wie sie sich zuverlässig messen lässt.

Kreativität wurde seit der frühen Zeit der Intelligenzforschung von den meisten Wissenschaftlern als ein Aspekt der Intelligenz angesehen, weswegen sie meist immer noch von dem Fachgebiet der Psychologie vertreten wird. Unabhängig von der Definitionsdiskussion lässt sich aber feststellen, dass viele Mutterdisziplinen und Herkunftsfelder zur Ausprägung und Entwicklung von Kreativität beigetragen haben, die z.T. aus gänzlich anderen Wissenschaftssegmenten kommen (wie z.B. Neurologie, Pädagogik, Soziologie, Gerontologie).

Damit zeigt Kreativität eine disziplinübergreifende Herkunfts- und Einsatzbandbreite. Aufgrund dieses Umstands, wie auch der Diversität und Tiefe des Fachgebiets und der Auswirkungen in eine Vielzahl von Praxisfeldern erkennen viele Wissenschaftler mittlerweile Kreativität als ein eigenständiges Wissenschaft- und Praxisgebiet an (u.a. Csikszentmihalyi 1996) und skizzieren die Etablierung eines interdisziplinären Wissenschaftsfeldes (Magyari-Beck 1979, Gunkel 1994, Luther 2009).

Kreativität und Lebensalter

Von Geburt an kreativ
Guilford (1982) fand heraus, dass Kreativität bis zu einem Alter von sechs Jahren hoch ist. Zwischen sechs und sechzehn Jahren ist Kreativität sehr niedrig und steigt danach wieder bis zu einem Höhepunkt im Alter von 30 Jahren. Andere Untersuchungen erbrachten andere Ergebnisse bei ähnlicher Tendenz; so stellten z.B. Mehlhorn/ Mehlhorn 1985 fest, dass in der frühen Jugendzeit Kreativität am Ausgeprägtesten ist und etwa ab dem Alter von 10/ 11 Jahren deutlich zurückgeht.

Dies wurde in US-Studien auf das Umfeld Schule zurückgeführt und speziell auf die, sich ab der weiterführenden Schulform ändernden, Anforderungen in Richtung einer verstärkten Leistungs-Bewertung anstelle von individueller Leistungs-Förderung. Der in den US geprägte Begriff "4th grade slump" (frei übersetzt: Die Lücke nach der 4. Jahrgangsstufe) gibt diesem Phänomen seit den frühen 60er Jahren des 20. Jahrhunderts einen Namen (Taylor/ Barron 1963); er steht stellvertretend für die Abnahme von natürlicher Kreativität, vorwiegend durch äußere Einflüsse.

Neuere Berechnungen ergänzen dieses Bild der kreativen Entwicklung mit Höhen und Tiefen bis etwa 30 Jahren und einer darauf folgenden Abnahme; die Untersuchungen führten an, dass sich dieser Umstand wahrscheinlich ergibt aus Faktoren wie der kognitiven Entwicklung, der Wirkung von Schulnormen (z.B. Ordentlichkeit, Bewertbarkeit), sozialen Faktoren (z.B. Anforderungen der Berufswelt, Normierung) und physiologischer Faktoren (z.B. altersbedingte Abnahme der fluiden Intelligenz).

Im Gegensatz zu anders lautenden Theorien im Bereich der Intelligenz besteht aktuell ein Konsens darüber, dass Kreativität, unabhängig von natürlichen Dispositionen und günstigen Altersphasen doch bis ins hohe Alter hinein gefördert und aktiviert werden kann, z.B. durch das Setzen differenzierter und variabler Reize, sowohl durch Training wie auch der Umfeldgestaltung.

Messbarkeit und Leistungsdiagnostik

Die Frage der Messbarkeit von Kreativität wurde spätestens seit den 50er Jahre des 20. Jahrhunderts verstärkt gestellt, seit die klassischen Intelligenztests als vorherrschende psychometrische Messverfahren keine befriedigenden Antworten gaben auf der Suche nach Hochbegabten i.S. eines erweiterten, über die Intelligenz hinausgehenden Hochbegabtenverständnisses.

Insbesondere zwischen 1950 und 1980, vereinzelt noch bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein, entstand eine ganze Reihe psychometrischer Tests oder Messverfahren, um Kreativität und kreative Begabungen zu ermitteln. Viele dieser Tests erwiesen sich als aussagekräftige, und in einigen Fällen auch als valide, Einschätzungsinstrumente für einzelne Fähigkeiten, die der Kreativität zugeschrieben wurden. Genau hier aber setzen die Probleme an:

  • Da es für Kreativität noch immer keine allgemeine Definition gibt, ist jede Messung von quantifizierbaren Kriterien im besten Fall mit Glückstreffern gesegnet; aus streng wissenschaftlicher Sicht sind Einwände an Gesamttests berechtigt. Zur Ermittlung ausgewählter Fähigkeiten, wie z.B. des "divergenten Denkens" können Tests allerdings gute Anhaltspunkte liefern.
  • Ein weiterer Kritikpunkt an den meisten Testverfahren wurde bereits 1963 von Wallach und Kogan geäußert; sie beklagten, dass Tests unter Zeitdruck (wie die meisten der konzipierten "Kreativitätstests") Kreativität gar nicht messen könnten, weil Kreativität unter solchen Bedingungen nicht erfassbar wäre bzw. Kreative unter solchen Bedingungen oft ihr Potenzial gar nicht abrufen könnten.
  • Auch wurde der Einwand seitens "der Kreativität" oder kreativer Personen immer wieder laut bezüglich einer "überhaupt nicht messbaren Individualität". Auch hier gilt sinngemäß das zuvor Gesagte, dass es zum Einen zur schlüssigen Messung gültiger Kriterien einer vorhergehenden Definierung des Messgegenstandes bedarf. Zum Anderen aber lassen sich einzelne, der "Individualität" zugeschriebene Merkmale durchaus messen, was Testverfahren z.B. in den Bereich Intelligenz, Hochbegabung und weiteren Feldern, wie z.B. Hochleistungssport immer wieder zeigen (Horn 1962, Guilford 1967, Treffinger 2000).

Neuere Ansätze rücken ab von einer quantitativen Analyse und verfolgen, ausgehend von Gardners Postulat "Entscheidend ist nicht die Frage: Wie kreativ bin ich, sondern entscheidend ist die Frage: Wie bin ich kreativ?" einen qualitativen Ansatz einer Leistungsdiagnostik (Basadur 2004, Puccio 2005, Berens 2006, Luther 2007, Newmann 2008). Sie messen nicht das absolute Vorhandensein eines bestimmten Merkmals, sondern fokussieren auf den Grad der Ausprägung eines bestimmten Sets von, als vorhanden vorausgesetzten, Qualifikationen und damit insbesondere auf die individuellen Präferenzen für bestimmte Items (vgl. IPC).

Training und Trainierbarkeit

Aufbauend auf einem alten Mythos "Kreativität ist nicht lernbar" werden auch immer wieder Stimmen laut, die eine Trainierbarkeit von Kreativität anzweifeln oder sogar abstreiten. Viele davon sind laut und wirken überzeugend, ohne einen wissenschaftlichen Beweis anführen zu können; sie kommen oft von berühmten Vertretern, bevorzugt aus den Reihen der "klassischen kreativen Felder" wie Kunst, Design und Werbung und beziehen sich häufig, bewusst oder unbewusst, auf ihr jeweiliges Kreativitätsfeld. Dabei sprechen sie meist von "der Kreativität" im Gesamten, nehmen oft eine, nach dem heutigen Stand der Wissenschaft unzulässige Verallgemeinerung vor und reihen sich ex aequo ein in die Reihe der Urheber oder Befürworter alter Mythen über Kreativität.

Interessant ist, dass viele Befürworter des Mythos "Kreativität ist ein angeborenes Talent, und damit nicht trainierbar" sehr wohl bejahen, dass Kreativität verringert oder unterdrückt werden kann, sowohl durch äußere Umstände, wie auch z.B. durch innere Vernachlässigung. Damit wird eine Beeinflussbarkeit mit negativem Vorzeichen von Kreativität zugestanden, mithin eine generelle Beeinflussbarkeit des Feldes überwiegend bejaht (z.B. Fox 2000). Die logische Konsequenz, dass eine Beeinflussung in beide Richtung (negativ und positiv) stattfinden kann, setzt sich erst allmählich durch; sie widerspricht nicht der natürlichen Begabungstheorie, sondern ergänzt sie im Praxissinn um den Aspekt einer angemessen dosierten und richtig terminierten Förderung (Dacey 1998).

Unbeschadet einer natürlichen Anlage für Kreativität als Grundkapazität, stellt Kreativität eine normale Fähigkeit dar; damit unterliegt sie, wie jede andere menschliche Fähigkeit auch, den Prinzipien der Trainingslehre, Pädagogik, Didaktik, Methodik und weiterer Felder und Teilgebiete. Stichworte wie Reizsetzung, Reizintensität, Reizdauer, Reiznachhaltigkeit und weitere weisen darauf hin, das Kreativität genau wie jede andere Eigenschaft - und unabhängig vom Grad ihrer Ausprägung - trainiert werden kann (de Bono 1969).

Interessant ist in diesem Zusammenhang der, von der populären Vortragsrednerin und Buchautorin Vera F. Birkenbihl geprägte Gedanke: "Entscheidend ist es nicht, ein Gehirn-Besitzer zu sein; entscheidend ist es, zum Gehirn-Benutzer zu werden." (Birkenbihl 1983). Sie fokussiert auf das Gehirn und weist auf den Umstand hin, dass eine natürliche Disposition alleine nicht ausreicht, sondern auch eine beständige Weiterbildung und Reizsetzung erforderlich ist, um das natürliche Potenzial wirkungsvoll zu aktivieren, und nachhaltig auszuschöpfen, zu erhalten bzw. zu steigern.


Prozess-Dimension der Kreativität

Schritt für Schritt kreativ
Der kreative Prozess ist wahrscheinlich die am längsten erforschte Dimension von Kreativität. Erste Ansätze hinsichtlich kreativer Vorgehensweise und Prozessschritte gehen bis in das vorchristliche Ägypten zurück (s. auch Kreative Methodiken & Phasen-Modelle und Kreativitätstechniken) und lassen sich über Descartes und Poincare bis in die Neuzeit hinein verfolgen. Hier hatte insbesondere Wallas einen nachhaltigen Einfluss, der in seinem Buch The Art of Thought bereits 1926 eine Vier-Schritt-Abfolge des kreativen Prozesses skizzierte, die lange Bestand hatte und von unzähligen Autoren, Wissenschaftlern und Praktikern aufgegriffen und als Grundlage für weitere Prozessmodelle genutzt wurde.

Dabei wird der kreative Prozess heute als ein Rahmen verstanden, der nicht nur die Phase der Ideengenerierung umfasst, sondern den ganzen Weg einer Aufgabenstellung über die Ideengenerierung und Ideenauswahl/-verfeinerung bis hin zur Ideenumsetzung. Im Rahmen dieses Prozesses und seiner einzelnen Schritte kommen abschnittsweise spezielle Regeln, Prinzipien und Werkzeuge (Kreativitätstechniken) zum Einsatz, um den angestrebten Zweck zu erreichen.

Kreativitätstechniken

Kreativitätstechniken sind ein Aspekt von absichtlicher/ angewandter, wie auch speziell der problemlösenden oder innovativen Kreativität. Es handelt sich hierbei um Werkzeuge, die helfen sollen, Ideen zu entwickeln, den kreativen Prozess in bestimmten Phasen zu unterstützen und/ oder die Kreativität von Einzelpersonen oder Teams zu stimulieren.

Insbesondere in der Blütezeit der absichtlichen/ angewandten Kreativität in den 70er und 80er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden Kreativitätstechniken oft als ultimative Lösung zur Ideenfindung angesehen; oft wurden sie sogar mit Kreativität gleichgesetzt. Viele der heute bekannten und z.T. legendären Techniken, wie Mindmapping, Synektik, Kopfstand, Morphologischer Kasten und weitere entstammen dieser Blütezeit und stellten die Wirksamkeit solcher Werkzeuge unter Beweis.

Dagegen führen Kritiker als Argument gegen Kreativitätstechniken u.A. immer wieder den Mythos "Kreativität ist Begabung - man hat es oder man hat es nicht" an. Diese Argumentation hat als Nährboden häufig auch den "Hype" der siebziger und achtziger Jahre, als Kreativitätstechniken oft überbetont wurden und gleichgesetzt wurden mit Kreativität - was im Umkehrschluss hin und wieder zu einer Aversion gegen Kreativitätstechniken, speziell der Vertreter der "intuiven Kreativität", führte. Die Aussage verkennt allerdings, dass in den meisten Feldern menschlicher Betätigung seit der Steinzeit Werkzeuge genutzt werden, um die menschliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Probate Beispiele hierfür sind:

  • Maler: Pinsel, Palette
  • Handwerker: Hammer, Zange
  • Sportler: Einfache Sportschuhe bis hin zu ausgetüftelten Sportgeräten

Darüberhinaus bleibt festzuhalten, das Kreativitätstechniken ein Aspekt der absichtlichen/ angewandten Form von Kreativität sind; in anderen Bereichen, wie z.B. der Kunst oder dem Design spielen sie gar keine oder nur eine untergeordnete Rolle.

Auch ist der Aspekt, dass Kreativitätstechniken ein wesentlicher Aspekt der absichtlichen/ angewandten Kreativität sind, sich aber auf einer untergeordneten Ebene in der Taxonomie der Kreativität (nach Luther 2008) befinden, im Gesamtkontext von Kreativität von Bedeutung. Eine ausschließliche Reduktion, selbst bereits der Domäne der absichtlichen/ angewandten Kreativität, auf den Aspekt der Kreativitätstechniken würde viele andere förderliche Kreativitätsfaktoren außer acht lassen und Menschen ohne Affinität dazu bzw. einer Aversion dagegen den Zugang zur Kreativität erschweren oder sogar unmöglich machen. Eine Reduktion des Gesamtphänomens Kreativität auf diesen Aspekt, der in vielen anderen Kreativdomänen, wie etwa der Kunst, überhaupt keine Rolle spielt, würde eine unzulässige Übertragung darstellen und verbietet sich daher von vorneherein.

Periodensystem der Kreativitätstechniken

Die Vielzahl der existierenden Kreativitätstechniken macht es für Praktiker wie auch für Experten schwierig, einen Überblick zu bewahren. Je nach Literaturstelle und Ansatz des Autors werden unterschiedliche Kriterien an die Zumessung des "Status Kreativitätstechnik" gestellt und unterschiedliche Zahlen genannt.

Beispiele für Auflistungen sind:

  • Die US-amerikanische CPS-Methodik erwies sich als frühe Ordnungssystematik (Parnes 1961), die vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum eine große Verbreitung erfuhr; sie subsumierte in 3 Phasen und 6 Arbeitsschritten alle existierenden Techniken aus den Bereichen Problemerkennung, Ideengenerierung, Ideenauswahl und -bewertung und Ideenumsetzung (Projektmanagement) und erlaubte eine lose Zuordnung (ohne Zahlenangabe).
  • Gleiches gilt auch für die russische TRIZ-Systematik, die eine Vielzahl von Techniken subsumierte und eine lose Zuordnung erlaubte (nach Altschuller 1973); dabei lag ihr Fokus im Wesentlichen auf den analytischen Verfahren.
  • Ein älterer deutscher Ansatz von Geschka zur Kategorisierung unterteilte Kreativitätstechniken in intuitive und diskursive Verfahren (Geschka/ von Reibnitz 1980) und folgte damit im Wesentlichen dem alten Split-Brain-Ansatz; er umfasste etwa 70 Techniken.
  • Hürlimann entwarf ein systematisches Inventar von über 3.000 Problemlösemethoden (Hürlimann 1981), dessen Spektrum an Problemlösesystematiken auch Methoden umfasst, die aus weit entlegenen Fachbereichen kommen und nicht unbedingt der normalen Denkweise entsprechen
  • Edward de Bono lieferte zwei Ordnungshilfen:
    • Der DATT-Ansatz war eine lose Sammlung von 10 definierten Kreativitätstechniken (de Bono 1988);
    • Der Lateral Thinking-Prozess war ein Ordnungsansatz (de Bono 1967), um eine Vielzahl an Kreativitätstechniken in die einzelnen Phasen lose einzuordnen (ohne Zahlenangabe).

Um einen systematischen Überblick über die Kreativitätstechniken zu bekommen, entwarf Luther das Periodensystem der kreativen Arbeitstechniken (Luther 2006/ 2009), das in Form eines Ordnungsrasters die bekannten existierenden Kreativitätstechniken nach ihren Wirkungsparametern einordnet. Die Systematik beinhaltet einen dreifachen Orientierungsansatz:

  • Praktiker erhalten einen schnellen Überblick, welche Kreativitätstechnik zu welcher Aufgabenstellung zweckmäßig passt
  • Experten erkennen die Zusammenhänge, sowie prinzipien-bedingte Cluster und Wirkungsfelder
  • Forscher und Feldentwickler entdecken "weiße Flecken" und Segmente potenzieller Entwicklungsfreiräume



Produkt- & Ergebnis-Dimension der Kreativität

Ergebnis als Maßstab
Das kreative Produkt als das Ergebnis eines kreativen Prozesses stand lange Zeit im Mittelpunkt jeder Betrachtung oder Definition von Kreativität. Das Bild des Künstlers, die Erfindung des Erfinders, die Innovation des Innovators, die Lösung des Problemlösers waren die ausschlaggebenden Parameter vor allen anderen, an denen Kreativität gemessen und bemessen wurde.

Dabei umfasst die Bezeichnung Produkt die Summe aller Ergebnisse und Resultate, die realer (wie z.B. handfeste Produkte) oder virtueller (wie z.B. Dienstleistungen, Konzepte, Ideen) Natur sein können.

Die Kriterien, die ein kreatives Produkt erfüllen muss, werden sehr unterschiedlich benannt. Die Mindestanforderungen, die daran zu stellen sind, wurden 1978 von MacKinnon definiert:

  • Neuigkeit: Das kreative Produkt muss neuartig und originell sein.
  • Nützlichkeit: Das kreative Produkt muss einen realen Zweck erfüllen.
  • Reale Existenz Das kreative Produkt muss tatsächlich existieren.

Mac Kinnon selbst ergänzte später noch die beiden Aspekte "Ästhetisches Gefallen" und "Transformation". Weitere Autoren (wie z.B. Besemer und O’Quin 1986) fokussierten auf ähnliche Kriterien, wie "Neuigkeit", "Funktionalität" und "Elaboration".

Kreativität und Innovation

Vieldiskutiert ist die Synonymität oder Abgrenzung zwischen (absichtlicher/ angewandter) Kreativität und Innovation. Beide Begrifflichkeiten entstammen dem gleichen Feld und weisen viele Gemeinsamkeiten auf (Wujec 2002); die Unterschiede, speziell die Definition, wann das eine aufhört und das andere anfängt, füllen ganze Bücher und sind nicht selten zum Glaubenskrieg erhoben worden.

Der US-amerikanische Kreativitätsforscher Runco (2007) wählte einen Erklärungsansatz, der ein Kontinuum zwischen "Originalität" auf der einen Seite und "Effektivität", verstanden als Wirksamkeit, auf der anderen Seite beschreibt; unter Originalität wird dabei verstanden, wie neu, einzigartig und ungewöhnlich etwas ist. Mit Hilfe dieses Kontinuums lassen sich Unterschiede zwischen den Begrifflichkeiten erklären und veranschaulichen. Bildet man "Kreativität" und "Innovation" auf dieser bipolaren Skala ab, so platziert Runco beide Begrifflichkeiten mittig, wobei "Kreativität" etwas weiter links zur "Originalität" tendier, während "Innovation" etwas weiter rechts mit Ausrichtung zur "Effektivität" erscheint.

Ein Konsens, der sich bei vielen Autoren andeutet, ist der (West 1999):

  • Kreativität (im absichtlichen/ angewandten oder auch problemlösenden Sinn) ist die Kompetenz zur Entwicklung von Ideen, Lösungen und Wahlmöglichkeiten; das umfasst sowohl alle Bausteine des kreativen Feldes (Person, Prozess, Panorama)
  • Innovation bezeichnet die Entwicklung, Produktion und Markteinführung einer Neuerung (Produkt, Strategie, Dienstleistung oder weiteres)

In diesem Sinn wird Kreativität oft als Startpunkt und Auslöser verstanden, an den sich Innovation nachfolgend anschließt; dabei muss das eine dem anderen nicht zwangsläufig folgen bzw. vorausgehen.



Zukunft

Der Blick nach vorne

Zukunftskompetenz Kreativität
Robert Jungk, der Entwickler der Zukunftswerkstatt-Methodik, hat es so formuliert: "Zukunft fällt nicht vom Himmel; Zukunft entsteht nur durch das Handeln der Menschen." Kreativität ist per Definition eine Ressource, die sich mit der Schöpfung, Entwicklung und Gestaltung von verbesserungsfähigen oder noch nicht realen Dingen, Gedanken oder Szenarien beschäftigt; damit beinhaltet sie eine starke Affinität zur Zukunft und zu zukünftigen Ereignissen, Produkten und Lösungen. Gleichzeitig stellt sie sich nicht als bequemer "Selbstläufer" dar, die automatisch ihre Wirkung entfaltet, sondern als Herausforderung, die systematisch aktiviert, konsequent und verantwortungsbewusst genutzt werden will (Jungk 1993).


Forschung über Kreativität

Viele Forschungsfelder und -fragen hinsichtlich Kreativität sind derzeit noch offen oder stehen erst am Anfang ihrer Untersuchung. Sie können in den folgenden Jahren durch neuere Verfahren und verbesserte wissenschaftliche Instrumentarien in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit rücken (Luther 2009).

Exemplarisch sind hier folgende Themen aufgeführt:

Booklet VIBIS/ Kreativität


Kreativität 2.0

Der US-amerikanische Flow- und System-Papst Csikszentmihalyi brachte die Erkenntnisse seiner Kreativitätsforschung auf den Punkt: "The Future talks systemic" (Csikszentmihalyi 1996) und fordert als eine entscheidende Grundvoraussetzung, wie auch als ein messbares Erfolgskriterium, für die Weiterentwicklung der Kreativität den Blick über den Zaun und das Zusammenführen der verschiedenen Kreativitätsfelder unter einem systemischen "Dach".

Auf dieser Grundlage entwarf Luther den Kreativität 2.0-Ansatz (Luther 2009), den er als Bauplan und gleichzeitig als richtungsweisendes Funktionsmodell der modernen Kreativität versteht.

Der Ansatz umfasst die drei Ebenen:

  • Interdisziplinär (außerhalb): Holistische Abbildung und Integration autonomer Kreativitäten und kreativer Fraktale
  • Systemisch (innerhalb): Abbildung der inneren System-Struktur und Definition und Nutzung der Modalitäten und Submodalitäten von Kreativität
  • Funktional (wirkungsbezogen): Erkennen und Ansteuern der "Hebelpunkte" und Wirkparameter der verschiedenen Hauptkomponenten von Kreativität


Ausblick und Vision

Ideen nach vorne
Kreativität ist für viele Wissenschaftler, Vordenker und Businessfachleute nicht nur eine ernstzunehmende Erscheinung, sondern eine Kernkompetenz und entscheidende Zukunftsressource. Dabei wird ihr Einsatz und ihre Effektivität in der Zukunft entscheidend abhängen von der Akzeptanz der Disziplin, dem Bewusstsein für ihre Notwendigkeit und Weiterentwicklung, und der Schaffung einer förderlichen Infrastruktur für die Bereitstellung und Nutzung kreativer Ressourcen.

Verstärkt wird auch von Kreativität gefordert, ihr Potenzial für die Lösung wichtiger Probleme einzusetzen, wie z.B.: Bevölkerungswachstum, Ernährungsfragen der Weltbevölkerung, Kriege, Wasserverknappung, Energieversorgung, Klimawandel; aus aktuellem Anlass rückt auch das Thema Katastrophenbewältigung (am Beispiel der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko, Mai 2010) in den Blickpunkt.

Die Entwicklung von der Industriegesellschaft hin zur Wissensgesellschaft wird sich nach der These von Wissenschaftlern weiter fortsetzen hin zur Ideengesellschaft (u.A. Florida 2002). Die zu lösenden Aufgaben werden immer komplexer, die Anforderungen vielfältiger und das vorhandene Wissen nimmt in einem Maße zu, dass weder Einzelpersonen noch Kollektive mit der Entwicklung adäquat Schritt halten können; bereits in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts hat Albert Einstein, der große Vordenker und Visionär dazu angemerkt: "Phantasie und Vorstellungskraft sind wichtiger als Wissen, weil Wissen (i.S.v. dem von einer Person abrufbaren Wissen) ist begrenzt".

"Es wird in Zukunft nicht mehr darum gehen, auf eine Herausforderung eine Standardantwort zu haben, weil die Herausforderungen zunehmen werden, in einem Maß und einer Geschwindigkeit, die heute noch nicht absehbar ist, und weil die Herausforderungen oft gänzlich unbekannter Natur sein werden. Es wird darum gehen, Möglichkeiten zu kennen, das kreative Potenzial und die vorhandenen Ideen von Einzelpersonen und Teams zu aktivieren, abzurufen, zu steigern und, auf unbekannte Herausforderungen bezogen, lösungsbezogen und flexibel anwenden zu können. Mithin: Es wird darum gehen, das Potenzial zu nutzen, das der Menschheit in die Wiege gelegt wurde: Kreativität!" (Luther 2009).

In diesem Sinne kann Kreativität als ein Rohstoff betrachtet werden, der insbesondere in Zeiten wachsender Rohstoffverknappung oder sogar absehbarer Rohstofferschöpfung von vielen maßgeblichen Wissenschaftlern wie Politikern als die Ressource der Zukunft angesehen wird , oder "Als wichtigster Rohstoff, der in den Köpfen der Menschen liegt" (Ahnen 2005). Dazu bemerkt der Philosoph und Zukunftsforscher Andre Gorz 2004: "Unternehmen wie Gesellschaften müssen den "Rohstoff" in den Köpfen der Menschen mobilisieren, ihre Kreativität und Phantasie ...".

Von der Vision zur Aktion

Kreativität von morgen
Die Vision vieler Wissenschaftler, Politiker, Praktiker und Entscheidungsträger ist eine Welt, in der Kreativität auf allen Ebenen von Beruf, Alltag und Gesellschaft akzeptiert und etabliert ist (de Bono 2000). Luther führt ergänzend dazu aus: "Kreativität ist der Schlüssel, um die Leistungsfähigkeit und die Lebensbedingungen von Organisationen, Gesellschaften und Menschen lösungsorientiert, ökologisch und nachhaltig zu verbessern" (Luther 2005).

Um diese Vision Realität werden zu lassen und um Kreativität den, von vielen so benannten oder geforderten, Stellenwert einer Zukunftskompetenz und Schlüsselqualifikation zu verleihen (Florida 2002), verlangt es eine wirksame Infrastruktur für Kreativität und eine ebenso bewusste und konsequente, wie wertschätzende, fach- und bereichsübergreifend mehrdimensionale Aktion (Dilts 1998, Florida 2002, Luther 2009).

Dazu gehören Maßnahmen, Aktivitäten, Einrichtungen und Einstellungen (Luther 2009) wie:

  • Vereinigungen, Communities, Initiativen, Thinktanks, Cluster und Netzwerke
  • Ministerien, Ämter, Ausschüsse und Positionen
  • Konferenzen, Tagungen, Messen und Events
  • Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen bzw. interdisziplinäre Forschung und Entwicklung
  • Ausbildungs- und Studiengänge schulischer, beruflicher und akademischer Natur
  • Zuschuss- und Förderprogramme für Normal- und Hochbegabte
  • Medien und Materialien (wie Bücher, Zeitungen/ Zeitschriften/ Journale, Internetportale und -communities, Soft/ und Hardware)
  • Installationen, Aktionen, Feiertage,
  • Wettbewerbe, Auszeichnungen, Preise und Ehrungen
  • gesellschaftliche Akzeptanz und öffentliche Diskussion

Ideen und Innovation sind ein entscheidender Faktor, um Personen, Organisationen, Kulturen und Zivilisationen zu erheben und gleichzeitig Hoffnung für die Zukunft zu geben. Und dazu bemerkt der kanadische Innovationsforscher und Oscargewinner Tom Wujec: "Ideen sind der Funke allen Fortschritts - Kreativität ist der Motor. Wir leben in einer Zeit, in der Kreativität, Innovation, Ideen und Imagination die Welt bewegen. Wir leben in einer Zeit, in der wir unsere Zukunft vorbereiten und erschaffen. Wir leben in einer Zeit kreativer Aktion." (Wujec/ Muscat 2002).


Literatur


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