Werkzeugallmachtsmythos

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Als Werkzeugallmachtsmythos wird ein eher jüngerer Kreativitätsmythos bezeichnet, nach dem sich mit Hilfe von Kreativitätstechniken (auch Denkwerkzeuge genannt) jedes Problem lösen lassen soll und jedes, auch noch so naiv vorgehende Team bzw. jede Einzelperson automatisch und zwangsläufig mit ihrer Hilfe auf kreative Einfälle kommen muss; mit diesem Anspruch steht er diametral im Widerspruch zu vielen älteren Mythen und Legenden, was allerdings nicht für mehr Glaubwürdigkeit sorgt.

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Inhaltsverzeichnis

Gegenstand

Wie alle Mythen ist auch der Werkzeugallmachtsmythos ein generalisierender Glaubenssatz, d.h. eine unbewiesene Vorannahme bzw. eine verallgemeinerndere subjektive Erfahrung.

Die zugrundeliegende Behauptung jüngeren Ursprungs ist: Mit Kreativitätstechniken lassen sich immer und überall von Jedem Ideen kreieren und Kreativität freisetzen, sogar ohne weitere Kenntnisse der kreativen Performance.

Basis

Historisch gesehen entstand der Werkzeugallmachtsmythos etwa zwischen 1970 und den 2000er-Jahren - also zu einer Zeit, die auch als die Blütezeit der Kreativitätstechniken bezeichnet wurde. Gerade zu Anfang dieser Zeit (in den 1970er-Jahren) waren Forschung und Wissenschaft bestrebt, dem Phänomen Kreativität auf die Spur zu kommen. Kreativitätstechniken erschienen vielen als das fehlende Glied zwischen der ominösen göttlichen Kraft einerseits und einem rein mechanistischen, analytischen Vorgehen, was dem Wesen von Kreativität nicht gerecht würde. Kreativitätstechniken, so erhofften sich viele Wissenschaftler, Trainer und Buchautoren sollten genau diese Lücke schließen und Kreativität zuverlässig anzapfbar machen; das ist aus dem Verständnis dieser (!) Zeit heraus auch ein sinnvolles Vorgehen.

Da jüngeren Ursprungs, ist dieser Mythos allerdings bis auf den heutigen Tag noch immer aktuell und in unzähligen Büchern zu finden, z.T. jüngsten Ursprungs.

Auch findet dieser Mythos seine Unterstützung durch zahlreiche Trainer und Weiterbildner, die das Feld der angewandten Kreativität entweder nicht sehr tief durchdrungen haben oder die, weil sie aus gänzlich anderen Bereichen kommen, das Feld, bis auf die besagten Kreativitätstechniken, überhaupt nicht kennen und daher Kreativitätstechniken nur "en passant" behandeln.

Zwar liegt die Begründung für diesen Mythos, z.B. speziell im Feld der Business-Kreativität, gerade in der heutigen, ergebnisgetriebenen Zeit auf der Hand, weil es speziell in der Wirtschaft immer wieder um "Ernsthaftigkeit", Systematik, Kalkulierbarkeit und Nachhaltigkeit geht. Kreativitätstechniken scheinen einerseits genau diese Anforderungen alle zu erfüllen, was sie für diese Zielgruppe attraktiv macht; anderseits dagegen scheinen weitere Parameter, wie etwa die persönliche Kreativität, gerade für eher fachfremde Personen, von so komplexer oder "unscharfer" Natur, dass ihre Beeinflussung als weniger systematisch und damit ein erfolgreicher Einsatz als wenig kalkulierbar empfunden wird.

Hintergrund

Auch dieser Mythos hat sich u.a. dadurch bis in die heutige Zeit gehalten (bzw. erfährt gerade heute noch immer seine volle Blüte), weil es weder der Kreativitätsforschung noch dem Kreativitätsmanagement bis heute (Stand 2015) gelungen ist, sich auf eine einheitliche Rahmendefinition bzw. ein einheitliches Begreifen des Konstrukts Kreativität zu verständigen.

Ist-Stand

Der Werkzeugallmachtsmythos hält sich als jüngerer Mythos bis in die heutige Zeit aufrecht und findet in vielen neuen Publikationen seine Unterstützung; kaum ein (deutschsprachiges) Buch jüngeren Datums wird veröffentlicht, ohne dem Thema "Kreativitätstechniken" einen breiten oder sogar ausschließlichen Raum zu geben.

Konkrete Auswirkung

Die Auswirkungen sind einerseits, dass es viele Menschen gibt, die allein mit Hilfe von Kreativitätstechniken einen Garanten zu besitzen glauben, um Probleme zu lösen und Ideen zu generieren und dass es gerade heute etliche Vertreter dieses Mythos gibt, die Kreativität fast automatisch in Verbindung bringen mit Kreativitätstechniken - was bedeutet, dass dieser Mythos den Gegenpart zu vielen älteren Mythen (wie z.b. Zufallsmythos, Göttliche Inspirations-Mythos) darstellten. Dementsprechend gross ist allerdings oft die Enttäuschung, wenn das erwünschte Ergebnis sich nicht auf Anhieb einstellt. Deswegen muss bereits an dieser Stelle festgestellt werden, dass, unbeschadet der tatsächlichen Wirksamkeit richtig eingesetzter Kreativitätstechniken, Kreativitätstechniken zwar ein wirkungsvoller Teil, aber tatsächlich eben nur ein kleiner Ausschnitt aus der großen Landkarte der angewandten Kreativität bzw. der kreativen Performance sind, und dass z.B. gem. dem Multiple Kreativitäten-Verständnis viele weitere Arten von Kreativität existieren (wie z.B. Kunst, Schrifstellerei, Schauspiel u.dgl.m.), in denen Kreativitätstechniken entweder völlig unbekannt sind, oder überhaupt keine Rolle spielen.

Auch lässt sich andererseits festhalten, dass die Kritik mancher Kreise an dieser Art von Kreativität bzw. "kreativem" Vorgehen generell sich namentlich an dem übertriebenen Einsatz von Kreativitätstechniken entzündet. Das hat wiederum zur Folge, dass in manchen Bereichen, in denen Kreativität sowohl notwendig, wie auch nützlich wäre, sie von vorneherein als zu techniklastig und deterministisch abgelehnt wird.

Aktueller Erkenntnisstand

Der aktuelle Erkenntnisstand der Kreativitätsforschung ist:

  • Kreativität ist eine normale menschliche Fähigkeit, die von Geburt aus vorhanden ist. Wie jede menschliche Fähigkeit lässt sie sich grundsätzlich erst einmal ohne "Werkzeugeinsatz" aktivieren und nutzen.
  • Kreativität, namentlich die absichtliche Kreativität, setzt sich aus verschiedenen, definierbaren Anteilen zusammen, die jeweils bewusst und systematisch angesteuert werden können und die gleichberechtigt nebeneinander stehen; Kreativitätstechniken sind nur ein kleiner Unteraspekt davon.
  • Kreativitätstechniken sind (Denk-)Werkzeuge, nicht mehr und nicht weniger; je besser sie in kompetenter Hand im Verbund mit anderen kreativen Aspekten eingesetzt werden, umso wirkungsvoller und zuverlässiger erbringen sie Ergebnisse.

Beweisführung

Der Glaubenssatz lässt sich mit einem Vergleich zu dem Feld "Werkzeuge" widerlegen, da jedes Werkzeug in der Hand eines Könners i.d.R. die verlangten Ergebnisse erbringt, allerdings in der Hand eines Laien keinerlei Garantie dafür bietet, dass etwas Erwünschtes mit ihrem Einsatz herauskommt - noch weniger, dass der Anwender alleine durch ihren Einsatz zum handwerklichen oder gar künstlerischen Meister wird.


Allgemeiner Hintergrund

Prägung

Glaubenssätze sind generalisierende Vorannahmen über einen bestimmten Sachverhalt. Sie entstehen häufig durch:

  • ein einmaliges Erlebnis/ eine einmalige Erfahrung, die nachfolgend verallgemeinert wird;
  • Aussagen oder interpretierte Aussagen realer oder vermeintlicher Autoritäten;
  • Wiederholung;
  • in Prägungssituationen (Signifikanten Emotionalen Ereignissen).

Sie sind als solches oft nicht logisch herleitbar, sondern basieren auf der Verallgemeinerung subjektiver Erfahrungen, die zu einer bestimmten Zeit einmal als wahr angenommen wurde und sich nachfolgend herausgebildet hat. Im Alltag oder in einem bestimmten Fachgebiet helfen Glaubenssätze oft dabei, sich in der Welt zu orientieren.

In Summe: Oft werden sie vehement vorgetragen, basieren auf vermeintlichen Expertenaussagen (Autoritäten), eigenen früheren Erfahrungen, einem allgemeinen Hörensagen oder individuellen Theorien, warum etwas so und nicht anders ist. Durch Wiederholungen im Denken, Reden und Handeln festigen sie sich oft im Sinne einer "selffulfilling prophecy" (einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung"). Durch keine der genannten Handlungen allerdings gewinnt ein Glaubenssatz an realer und bewiesener Glaubwürdigkeit und Aussagekraft, sondern bleibt ein Mythos.

Prinzip

Glaubenssätze haben die Fähigkeit, sich selbst zu erhalten. Solange die Hauptaussage erhalten bleibt, sind sie sehr anpassungsfähig und oft logisch nicht widerlegbar.

Orientierung

Glaubenssätze lassen sich in dem Modell der Neurologischen Ebenen der Persönlichkeit/Veränderung auf der 4. Ebene (Glauben/ Werte) lokalisieren.

Veränderung

Um Glaubenssätze, wenn gewünscht zu verändern, gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wie z.B.: Glaubenssatzveränderung, Musterunterbrechung, Reframing, Satir-Beliefänderung, Submodalitätenarbeit, Swish, Walking belief change u.A.m..

Hinweis: Zu allen Veränderungsmöglichkeiten sei darauf hingewiesen, dass es sich i.d.R. um einen tieferen Eingriff in die Persönlichkeit (und ihr individuelles "Bild von der Welt") handelt, der nur auf der Basis eines autonomen, selbstinitiierten Wollens vorgenommen werden sollte; eine Glaubenssatzveränderung sollte immer im Vorfeld mit einem Zielsatz vorbereitet und einem Ökologie-Check individuell abgeglichen werden.

Literatur

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