Kreativitätsforschung

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Auf 1 Blick

Die Kreativitätsforschung ist ein junger Forschungszweig, der lange im Schatten der Intelligenzforschung und weiterer Erkundungen der Mutterdisziplin Psychologie stand. Das Ziel dieser eigenständigen Forschungsrichtung ist die Ergründung der Faktoren und Prozesse, die das Konstrukt Kreativität ausmachen, die Entwicklung psychometrischer Testverfahren, die Untersuchung begünstigender (bzw. behindernder) Einflüsse auf die kreative Leistung Einzelner oder Gruppen, die Entwicklung konkreter und schlüssiger Modelle (Modellbildung) sowie auch die Erhebung der Wirksamkeit ausgewählter Kreativitätstechniken und -methoden.

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Inhaltsverzeichnis

Herkunft

Kreativität und Intelligenz

Seit dem ersten Weltkrieg wurde Kreativität historisch vorwiegend als ein Unteraspekt der Intelligenz angesehen, weswegen die Intelligenzforschung eine bedeutend breitere Aufmerksamkeit erfuhr. Bis auf den heutigen Tag hält sich die Auffassung einer engen Verbindung von Intelligenz und Kreativität, obwohl niemals eindeutig nachgewiesen, z.T. noch immer. Dabei gibt es mittlerweile drei unterschiedliche, gegensätzliche, Ansatzpunkte:

  1. Kreativität ist ein Bestandteil von Intelligenz
  2. Intelligenz ist ein Bestandteil von Kreativität
  3. Kreativität und Intelligenz sind nicht verwandt, beeinflussen sich aber wechselweise

Herkunftswissenschaften

Seit den frühen Tagen der Intelligenzforschung, und später auch gefördert durch den Psychologen Guilford wurde Kreativität immer wieder eng angebunden an das Feld der Psychologie, die als empirische Wissenschaft das Erleben und Verhalten des Menschen, seine Entwicklung im Laufe des Lebens und alle dafür maßgeblichen inneren und äußeren Ursachen und Bedingungen beschreibt und erklärt.

Bezogen auf die psychologischen Aspekte der kreative Persönlichkeit, wie z.B. Motivation (Motivationsforschung), Kognition (Kognitionsforschung) und Persönlichkeit (Persönlichkeitspsychologie) ist das schlüssig. Andere Faktoren der Persönlichkeit werden nicht von der Psychologie erfasst, sondern bedürfen eigenständiger Wissenschaften zur genauen Erforschung. Beispiele hierfür sind:

Weitere Bereiche, die, über die Entwicklung einer kreativen Persönlichkeit hinaus, für die Ausprägung einer kreativen Leistung insgesamt einen großen Einfluss ausüben, und ihre entsprechenden Wissenschaftsfelder sind (auszugsweise):

Die Kategorie Impulsfelder gibt einen deutlichen Hinweis darauf, welche weiteren Herkunftsdisziplinen, Mutterwissenschaften und Anwendungsforschungen, über die Psychologie und insbesondere über die Intelligenzforschung hinaus, noch einen Einfluss auf das junge Gebiet der Kreativitätsforschung haben.

Entwicklung

Frühe Ansätze

Untersuchungen über kreativitätsnahe Themen und Fragestellungen gab es in den Mutterwissenschaften schon lange. Als frühe Ansätze von Kreativitätsforschung können exemplarisch verstanden werden:

  • Auseinandersetzung mit dem Genialen und dem Schöpferischen (u.a. durch den Begründer der Differentiellen Psychologie F. Galton, die klassischen Tiefenpsychologen S. Freud und C.G.Jung, den Psychiater E. Kretschmer).
  • Untersuchungen über schöpferische Leistungen berühmter Persönlichkeiten (Galton 1869)
  • Psychologische Interpretationen über den Problemlösungsprozess (Poincare 1914)
  • Klassische Genialitäts- und Begabungsforschung (Terman 1925, Kretschmer 1929)
  • Produktive schöpferische Problemlösung als Teil der Denkpsychologie (z.B. Köhler 1917, Wertheimer 1925, Duncker 1935)
  • Schlussprozesse im produktiven Denken (Wertheimer 1925)
  • Langzeituntersuchung über intellektuell hochbegabte Geniale in den US (Terman 1925, Terman/ Oden 1947)
  • Woodworth entwarf 1934 mit seinem SOR-Paradigma ein funktionelles Strukturschema menschlichen Handelns
  • Fallstudien über schöpferische Persönlichkeiten (u.a. Wertheimer 1945)

Startpunkt der ernsthaften Kreativitätsforschung

Der Startpunkt der ernsthaften, so benannten, Kreativitätsforschung wird, historisch betrachtet, heute zwei Ereignissen zugeschrieben:

  • Zum einen, intern motiviert, durch die berühmte Rede von J.P. Guilford am 5. September 1950, die heute oft als Startpunkt der modernen Kreativität angesehen wird. Guilford beklagte anlässlich seiner Antrittsrede als damaliger Präsident der APA (US-Psychologenvereinigung) ein mangelndes Interesse der Forschung an dem Kreativitätsthema und belegte das u.a. mit einer Zahl: Er stellte fest, dass in den 25 Jahren zuvor von 121.000 erschienenen psychologischen Arbeiten nur etwa 186 relevante Titel zum Thema Kreativität verfasst worden waren, und rief dazu auf, diesem Bereich mehr Aufmerksamkeit zu widmen; angemerkt werden muss hierzu, dass sich diese Zahl nur auf den, Guilford bekannten, Bereich der Psychologie bezog und andere Disziplinen und Wissenschaften nicht berücksichtigte. Ähnliche Zahlen für Deutschland fand auch der deutsche Kreativitätsforscher Preiser heraus: So konnten in den Jahren 1969/1970 von 503 registrierten, psychologischen, Forschungsprojekten nur 7 als kreativitätsrelevant klassifiziert werden, und im Jahr 1967 sogar nur 1 von 186 (Preiser 1976).
  • Zum anderen, extern motiviert, durch den berühmten "Sputnick-Schock", mit der die politisch-gesellschaftliche und wissenschaftlich-forscherische Reaktion auf den ersten Start eines Satelliten am 4.10.1957 (genannt Sputnick) durch die Sowjetunion bezeichnet wurde; er stellte den damals vorherrschenden Überlegenheitsglauben des Westens in Frage und löste nachfolgend intensive Bemühungen in, vor allem bislang vernachlässigten Bereichen von Bildung und Forschung aus. Insbesondere die bis dahin vorherrschende Fokussierung auf Intelligenz und fast vollständige Ausblendung des Feldes der Kreativität erfuhr rasch eine deutliche Umkehr.

Genieforschung

Unter Genieforschung wird die Erkundung aller Faktoren verstanden, die zur Ausprägung außergewöhnlicher Leistungen (Hochbegabung) auf einem speziellen Gebiet führen; dies umfasst alle inneren (psychischen wie physiologischen) Aspekte, wie auch alle äußeren Faktoren.

Die frühe Forschung über Genialität und Hochbegabung, die wesentlich von den USA ausging, fokussierte vorwiegend auf das traditionelle Intelligenzkonzept; die Betonung lag einseitig auf logischen, konvergenten Denkoperationen, die vergleichsweise leicht abprüfbar waren. Schöpferische Prozesse waren anfangs nicht Gegenstand der Forschung. Erst die Erkenntnis, dass Genialität weit über Intelligenz hinausgeht und in vielen Feldern, auch schöpferischer Prägung, zu finden ist, führte zu vielseitigen und nachfolgend verstärkt kreativitätsorientierten Forschungen.

Noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Kreativität vorwiegend gleichgesetzt mit "dem Schöpferischen", nicht Erklär- oder Messbaren, und damit aus dem Handlungsbereich normaler Menschen hin zu dem Bereich des Göttlichen oder Genialen entrückt; die Folge waren langjährige religiöse, psychopathologische oder künstlerische Mystifizierungen (vgl. auch Mythen über Kreativität). Diese historischen und gesellschaftlichen Barrieren blockierten lange Zeit eine ernsthafte Forschungsbeschäftigung mit dem Feld der Kreativität. Ein Verdienst von Guilfords war es u.a., den Geniekult beendet zu haben; er proklamierte in seiner berühmten Rede u.a.: "Jeder Mensch hat das Potenzial, kreativ zu sein" ("Anyone is born creative") und machte Kreativität damit auch für gewöhnliche Menschen wieder zugänglich.


Jüngere Entwicklung

Strukturierung

1961 unternahm der, in der kreativen Fachwelt bis dahin weitgehend unbekannte Assistenzprofessor für Pädagogik Mel Rhodes den Versuch, dem großen Feld der angewandten Kreativität eine erste, grobe Struktur zu geben, um es wissenschaftlich professionell bearbeitbar zu machen. Er schlug in einem vielbeachteten Artikel in der Fachpresse vor, Kreativität in 4 Felder, die von ihm so benannten 4 P der Kreativität zu unterteilen, um einen Anhaltspunkt für systematische Forschungen zu bieten.

Er unterteilte das Forschungsfeld Kreativität wie folgt:

Neuere Themen

Gleich der Intelligenzforschung versuchten auch die ersten neueren Kreativitätsforschungen sich im wesentlichen an der Entwicklung von Tests und Erklärungsmodellen zum Thema Kreativität. Das Ziel war es, möglichst schnell und eindeutig die hochbegabten Kreativen zu erkennen und entsprechend zu fördern, um sie in kritischen Bereichen, wie Wirtschaft, Politik und Militär, mit einem strategischen Wettbewerbsvorteil versehen, einsetzen zu können.

Eckdaten jüngerer grundlegender Forschungen und Entwicklungen sind:

  • Untersuchung der Berufszugehörigkeit kreativer Personen (u.a. Ghiselin 1952, MacKinnon 1964)
  • Untersuchung der Quantität kreativer Leistungen (u.a. Ghiselin 1952, Dennis 1955, Bloom 1956)
  • Beurteilung kreativer Leistungen und Erfassung von Qualitätskriterien kreativer Produkte (Taylor / Ellison 1964)
  • Beurteilung kreativer Leistungen durch Kollegen oder Vorgesetzte (MacKinnon 1964)
  • Maßnahmen zur Beeinflussung kreativer Bewusstseinserweiterung (Leary 1964 / 1970)
  • Mit dem Structure of Intellect-Model entwickelte Guilford 1967 ein felddefinierendes Multifaktorenmodell (nach Guilford 1967), in dem kreative Eigenschaften (z.B. Divergentes Denken) bereits ein Bestandteil waren
  • Das Drei Ringe-Modell der Begabung (nach Renzulli 1979) stellte ein Mehrfaktoren-Modell der Begabung dar, in dem Kreativität explizit als autonomer Bestandteil aufgeführt wird.
  • Das Modell der entwickelnden Systeme (nach Gruber & Davis 1988) widmete sich speziellen Faktoren der Persönlichkeit.
  • Runco untersuchte die Einflussnahme sowohl der Umgebung wie auch von Instruktionen auf das Abschneiden in Tests für das divergente Denken (Runco 1991).
  • Runco und Basadur entwickelten auf der Grundlage verschiedener psychometrischer Testverfahren ein kreatives Stil- und Verhaltens-Inventar (Runco/ Basadur 1993), das als Grundlage für das Basadur Applied Thinking Profile diente.
  • Das Triadische Interdependenzmodell (nach Mönks 1994) baute auf dem Drei Ringe-Modell der Begabung auf und ergänzte weitere Umgebungsfaktoren.
  • Das Differenzierte Begabungs- und Talentmodell (nach Gagne 2000) entstand als ein Hochbegabungsmodell, dass die Faktoren "Lernprozess" und "Entwicklung" miteinbezog.
  • Die Triarchic Theory (nach Sternberg 2003) bezeichnete die Kreative Intelligenz als eigenen Teilaspekt der Intelligenz.
  • Die Infrastruktur der Kreativität (nach Luther 2005/2009) stellte eine mehrdimensionale Kartierung der angewandten Kreativität einschließlich ihrer Modalitäten und Submodalitäten dar.
  • Das Periodensystem der Kreativitätstechniken (nach Luther 2006/2009) strukturierte als universaler Ordnungsansatz alle Kreativitätstechniken und Arbeitsstrategien in einem mehrdimensionalen Ordnungsraster.
  • Das Konzept der Multiplen Kreativitäten (Luther 2009) stellte die verschiedenen Ausprägungsformen von Kreativität in einer Vergleichs-Matrix gegenüber, als Ausgangspunkt für eine vereinheitlichende Feldtheorie der Kreativität.
  • Der Kreativität 2.0-Ansatz (nach Luther 2009) ist ein systemisch-funktionales Erklärungs- und Wirkungsmodell von Kreativität, das die Erkenntnisse über das komplexe Konstrukt Kreativität feldübergreifend zusammenführt und die Begründung und die Ansatzpunkte für ein zukünftig eigenständiges Forschungsgebiet liefert.


Aktueller Stand

Obwohl es viele unterschiedliche Ansätze gab, entzieht sich das Wesen der Kreativität bis heute noch immer vielen ernsthaften Forschungsbemühungen. Das liegt u.a. darin begründet, dass es nachwievor keine allgemein verbindliche Definition des Konstrukts Kreativität gibt, die als Basis für eine Feldforschung notwendig ist. Die unterschiedlichen Ansätze, sowohl der verschiedenen Herkunftswissenschaften, wie auch der, z.T. miteinander unvergleichbaren und breit gestreuten, Anwendungsfelder und existierenden Kreativitätsschulen und Glaubensrichtungen erschweren einen einheitlichen Zugang zu dem Feld.

Die Forschung hat erkannt und eingestanden, dass das Phänomen Kreativität von einer großen Komplexität gekennzeichnet ist, die sowohl eine Definition wie auch eine erwünschte Fokussierung erschwert. Es ist zu vermuten, dass bis zur Erstellung einer einheitlichen Feldtheorie über und Definition und Zuordnung bzw. Abgrenzung von Kreativität die Ansätze der Kreativitätsforschung weiterhin den unterschiedlichen Herkunftsdisziplinen oder Anwendungsfeldern vorbehalten bleiben.


Literatur

Spezielle Literatur zum Thema Kreativitätsforschung

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