Das haben wir schon immer so gemacht
Das haben wir schon immer so gemacht ist eine klassische Killerphrase (1. Ordnung), bei der ein, meist wahrer/ belegbarer Sachverhalt aus der Vergangenheit als Argument ins Feld geführt wird, um zum Ausdruck zu bringen, dass man mit einer zukünftigen Idee/ einem Vorschlag nicht einverstanden ist. Das kann, wie viele Killerphrasen, eine Diskussion i.S. eines Totschlagarguments oft zum Erliegen bringen, weil es einerseits oft der Realität entspricht (und dieser Teil der Aussage daher auch nicht entkräftet werden kann) und andererseits eine Projektion auf zukünftige Ereignisse wirft, die durch die "Erfahrung" (vergangener Geschehnisse) gesichert erscheint (und dieser Teil der Aussage meist in einer fruchtlosen Pro- und Contra-Diskussion gipfelt).
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Gegenstand
Allgemein
Unter einer Killerphrase wird i.d.R. ein kritischer Einwand verbaler oder auch nonverbaler Natur verstanden.
Wird er in der 3. Phase des kreativen Prozesses (Optimierungsphase) vorgetragen, in der es u.a. darum geht, Bedenken zu äußern und ggf. zu entkräften, so spricht man i.d.R. nicht von einer Killerphrase (eher unerwünscht), sondern von einem Einwand oder Argument (eher erwünscht in dieser Phase).
Wird ein kritischer Einwand dagegen in der 2. Phase des kreativen Prozesses (Generierungsphase) vorgetragen, in der es darum geht, neue Ideen für eine gestellte Aufgabe zu entwickeln, so hat er den Namen "Killerphrase" verdient, weil er in der Regel die Idee "killt", oder sogar den gesamten Prozesschritt zum Erliegen bringt.
I.S. der 6 Denkhüte-Kreativitätsmethodik sind Killerphrasen typische (dort erlaubte) Äußerungen unter dem schwarzen Hut.
Speziell
Der Einwand "Das haben wir schon immer so gemacht" ist ein oft gehörtes Argument, das (wie auch ihr Gegenpart Das haben wir noch nie so gemacht) zum Standardrepertoire der Killerphrasen gehört; daher sollte z.B. eine Moderation für diesen Fall präpariert sein, um im Falle einer entsprechenden Äußerung angemessen reagieren zu können.
Hintergrund
Hintergrund kann im besten Fall eine ernsthafte Besorgnis sein, um Vorgehensweisen, die sich früher einmal bewährt haben auch weiterhin sicherzustellen und von potenziell risikoreichen Alternativen abzusehen (Angst vor Unwägbarkeiten/ potenziellen Risiken). Das äußert sich häufig in einer Beharrungstendenz nach dem Motto "never change a running system" (i.S.v. "Verändere nichts, was (gut) läuft").
Oft ist es auch so, dass eine Killerphrase im Eifer des Gefechts spontan oder impulsiv geäußert wird, ohne wirklich negativ gemeint zu sein.
Eher selten, aber möglich, ist der Fall, dass eine Killerphrase als absichtlicher Angriff vorgetragen wird; das kann sowohl aus einer allgemeinen kritischen Grundhaltung heraus entstehen ("Bedenkenträger"), wie auch aus einer konkreten Abneigung gegen eine geäußerte Idee/ einen Vorschlag heraus geschehen.
Risiko
Ein allgemeines Risiko jeder Killerphrase ist es, dass ein begonnener Ideenprozess durch ein "Totschlagsargument" abrupt beendet wird; dies gilt vor allem, wenn die Killerphrase in der 2. Phase des kreativen Prozesses (Generierung) geäußert wird.
Darüberhinaus liegt ein spezielles Risiko gerade dieser Killerphrase vor allem darin, dass weder mögliche Alternativen ernsthaft in Betracht gezogen werden, noch potenzielle Chancen potenzieller Alternativen erörtert werden.
Konter
Generell sollte davon ausgegangen werden, dass hinter jeder Killerphrase ein (meist verborgenes) Bedürfnis/ eine Absicht steht. Daher ist es aus psychologischer Sicht empfehlenswert,
- die Killerphrase zuerst als ein neutrales Argument zu würdigen (ohne evtl. Emotionen bzw. der Killerphrase überhaupt größeren Raum zu geben)
- die dahinterstehenden Sorgen/ Befürchtungen/ Absichten anzusprechen bzw. zu erfragen, um sie nachfolgend zu verstehen bzw. würdigen zu können
- gemeinsam nach Alternativen zu suchen, die sowohl die Befürchtungen wie auch die auslösende Idee gebührend berücksichtigen
Gleichwohl ist es wichtig, sowohl zur Prozesssicherung, wie auch zum Schutz aller Beteiligten und der geäußerten Ideen/ Vorschläge, etwaige zur Unzeit geäußerte Killerphrasen eindeutig auf eine passende Phase des kreativen Prozesses zu verweisen (namentlich in die 3. Phase (Optimierung), in der kritische Anmerkungen ausdrücklich zugelassen sind und als prozessfördernd verstanden werden).
Allgemein
Allgemein gibt es immer mehrere Möglichkeiten, einer Killerphrase zu begegnen, u.a.:
- überhören (nicht empfohlen)
- Gegenangriff (nicht empfohlen)
- Spielregeln im Vorfeld vereinbaren
- markieren
- Umkehrung
Obwohl manche Literatustellen es empfehlen, muss vom Einsatz von Ironie beim Begegnen einer Killerphrase dringend abgeraten werden! Die Gefahr ist gross, dass sich hieraus ein Disput entwickelt, der nachfolgend weniger um die Sache selbst, als um das Prinzip des Rechthabens geht und der meist in einem offenen Schlagabtausch (Angriff-Gegenangriff) endet.
Überhören (nicht empfohlen)
Wird der Einwand überhört (bewusst oder unbewusst), führt das häufig zu einer Verstärkung der Bemühungen seitens des Killerphrasenträgers. Daher ist von dieser Vorgehensweise abzuraten.
Gegenangriff (nicht empfohlen)
Als letztes Mittel bleibt immer ein Gegenangriff; wenn man sich allerdings bewusst ist, das ein Gegenangriff selten dazu führt, dass die andere Partei schweigt, sondern vielmehr bemüht ist, die eigene Position zu rechtfertigen und zu verteidigen, kommt man fast zwangslüfig zu dem Schluss, dass ein Gegenangriff in einer, mitunter endlosen Pro- und Kontra-Debatte endet, die meist von der Sache selbst wegführt und oft in einer sogenannten "Loose-Loose-Situation" endet, bei der nur noch geklärt werden soll, wer im Recht ist bzw. sich durchsetzen kann. Daher ist von diesem Mittel abzuraten.
Spielregeln im Vorfeld vereinbaren
Ein wesentlicher Grund, warum Killerphrasen immer wieder auftreten ist es, dass im Vorfeld eines kreativen Prozesses keine Spielregeln für die einzelnen Phasen vorgestellt u./o. vereinbart wurden - mithin eine Killerphrase "nur" eine ganz normale Äußerung ist. Das wirkungsvollste Mittel ist es, im Vorfeld jeder Phase die nachfolgend gültigen Spielregeln vorzustellen und gemeinsam mit allen Beteiligten zu vereinbaren; wenn Zeit vorhanden ist, sollte vor Beginn der Ideenfindungsphase (Generierungsphase) das Thema "Killerphrasen" speziell und ausdrücklich angesprochen werden und Erwähnung finden, was erwünscht bzw. nicht erwünscht ist. Methodische Hilfsmittel (wie z.B. sogenannte "Killerpunkte" haben sich zwar bewährt, gehören aber in jedem Fall in die Hand einer erfahrenen Moderation, um Teilnehmer nicht vorzuführen, sondern konstruktiv aufmerksam zu machen).
Markieren
Oft kann eine Killerphrase bereits dadurch ausgehebelt werden bzw. an Kraft verlieren, indem Sie bewusst adressiert wird ("Das war jetzt eine Killerphrase"). Wird das noch in einem konstruktiven Stil geäußert (ggf. verbunden mit "Bitte "aufheben" für die nachfolgende Phase der Ideenbewertung"), ist das eine gute Möglichkeit, einerseits den Prozess störungsfrei fortzusetzen und andererseits dem Bedenkenträger das Gefühl zu geben, gehört worden zu sein.
Eine Alternative kann es sein, wenn zuvor die Regeln für eine bestimmte Phase besprochen wurden (z.B.: "Keine Kritik in dieser Phase").
Umkehrung
Umkehrung bedeutet, aus einem Angriff eine konstruktive Prozessbeteiligung zu machen; das kann z.B. folgendermaßen geschehen:
- Würdigung des Arguments
- Rückfrage: "Was wäre Ihr Vorschlag, um hier zu einer Lösung zu kommen?" (ggf. ergänzend: "In dem Bewusstsein, dass es bei dieser Zusammenkunft konkret darum gehen sollte, neue Lösungen zu entwickeln.").
Speziell
Aufdecken
Das bewährteste Mittel zum Aufdecken des Hintergrunds einer Killerphrase sind Fragen (nicht im Sinne von "Ausfragen", sondern als Verständnisfragen). Das können in diesem Fall z.B. sein:
- Geschlossene Frage: Das wurde also schon immer so gemacht? Und hat sich das nachweislich bewährt (i.S.v. "Hat das nachweislich immer zum Erfolg geführt")?
- Halboffene Frage: Welche Befürchtungen stehen hinter diesem Argument/ dieser Aussage? Welche Belege gibt es dafür? Bei welcher Gelegenheit wurde das so gemacht und hat zum Erfolg geführt?
- Offene Frage: Inwiefern ist diese Aussage (ggf.: in dieser Phase) jetzt hilfreich für den Prozess? Worauf würde das hinauslaufen - was ist Ihr Vorschlag?
- Meta-Frage: Was soll mit dieser Aussage bezweckt werden? Bei welchen Gelegenheiten hat das nicht zum Erfolg geführt (Suche nach Ausnahmen)? Welche Belege haben schon gezeigt, dass es auch anderes gehen kann (i.S.v. Best Practice-Beispielen)?
- Imaginäre Frage: Was wäre wenn (i.S.v. "nur mal angenommen") das in diesem Fall nicht erfolgversprechend wäre? bzw.: Wenn in diesem Fall/ bei dieser Idee eine andere Vorgehensweise erfolgreicher wäre?
- Lösungsfrage: Welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein (bei uns, auf dem Markt, ...), damit dieser Ansatz zum Erfolg führen kann?
Literatur
- Robert Kriegel, David Brandt: Das letzte Muh der heiligen Kuh. Landsberg 1998. ISBN 3-478-81186-4
- Michael Luther: Seminarpaket Kreativitätsmanagement. Offenbach/ Frankfurt 2014. ISBN 978-3-86936-533-6
- Meike Müller: Killerphrasen. Frankfurt am Main 2003. ISBN 3-8218-5564-9